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Ein Ding namens Fußball in Ottawa.

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Edmonton - "It's gonna be huge!" Die PR-Kampagnen für die U20-WM haben bei den eishockeyverrückten Kanadiern ihre Wirkung nicht verfehlt. Über 950.000 Tickets wurden noch vor dem ersten Turnier-Match abgesetzt, und also erlebt das Land anlässlich seines 140-jährigen Bestehens die größte Einzelsport-Veranstaltung seiner Geschichte.

Vieles deutet darauf hin, dass sich der Fußball im Gegensatz zu früheren Zeiten, als in die Jahre gekommene Stars wie Pele oder Franz Beckenbauer ihre Karrieren in Übersee für gutes Geld ausklingen ließen, diesmal dauerhaft durchsetzen wird. Die Zeitungen setzen die WM auf die Titelseiten, widmen ihr Sonderbeilagen und weisen darauf hin, dass 550.000 in Vereinen organisierten Hockey-Cracks 850.000 (zu einem beträchtlichen Teil weibliche) FußballerInnen gegenüberstehen.

Angesichts solcher Zahlen gerät der kanadische Verbandschef Colin Linford ins Schwärmen. "Mit diesem Turnier haben wir die sportliche Landkarte von Kanada verändert. Auf einmal ist Fußball in aller Munde, in jeder Zeitung und jedem TV-Sender. Es hat lange gedauert, bis auch der Durchschnitts-Kanadier begriffen hat, dass das der großartigste Sport der Welt ist. Aber jetzt ist es so weit", frohlockt der Präsident.

Seine Euphorie ist nicht unbegründet. So spielt der neu gegründete Profi-Verein Toronto FC ab Juli in der Major League Soccer und sieht sich schon in seiner ersten Saison vom Publikumsinteresse förmlich überrannt. Nachdem binnen kürzester Zeit 14.000 Dauerkarten an den Mann gebracht worden waren, der Verkauf gestoppt werden um auch anderen Fans einzelne Match-Besuche zu ermöglichen. Diesen Schritt konnten sich die Funktionäre problemlos leisten, denn niemand zweifelt daran, dass sämtliche Heimspiele im 20.000 Personen fassenden "National Soccer Stadium", dem neu errichteten ersten echten Fußball-Stadion Kanadas und U20-WM-Finalschauplatz, ausverkauft sein werden.

Boss Cesar glaubt aber nicht an die Revolution: "Eishockey hat in Kanada so große Tradition und ist so stark verwurzelt, dass ihm niemand den Rang ablaufen wird, auch nicht der Fußball."

Als Beweis dient kein Geringerer als Dale Mitchell, U20-Team der WM-Gastgeber betreut und danach das A-Team übernehmen wird. Er gilt als einer der besten kanadischen Kicker aller Zeiten, war WM-Teilnehmer 1986 und ist mit 19 Treffern in 55 Länderspielen noch immer Rekord-Torschütze. Einen Hockeyschläger hat er nie angerührt. Seinem neunjährigen Sohn wird schon jetzt eine große Zukunft vorausgesagt - allerdings mit dem Puck. "Fußball interessiert ihn nicht ein bisschen", gibt Mitchell zähneknirschend zu. (APA/red)