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Herwig Kollaritsch arbeitet seit 25 Jahren am Institut für Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien. Seit 25 Jahren beantwortet er die gleichen Fragen, die, wie er sagt, "mit dem Hausverstand gelöst werden könnten". Doch Reisefieber setzt oft die Logik außer Kraft.

Schwierig im Dschungel

"Eltern, die mit Kleinkindern in die Tropen wollen, sind ihre eigenen Feinde", wird Kollaritsch nicht müde zu wiederholen. Das Immunsystem ist gegen unbekannte Keime nicht gerüstet, und ein Baby mit starkem Durchfall kann innerhalb von zwölf Stunden dringend ärztliche Hilfe brauchen - schwierig im Dschungel.

Impfprophylaxe

Erst im Volksschulalter sind Kinder aus medizinischer Sicht reif für Fernreisen in Länder mit niedrigeren medizinischen Standards. Für Eltern wie Kinder sind dann Impfungen von zentraler Bedeutung. "Ich werde immer wieder gefragt, ob das Immunsystem so viele Impfungen auf einen Schlag überhaupt verkraften kann. Natürlich kann es das, und zwar mit ganz großer Leichtigkeit", sagt Kollaritsch.

Impfpläne

Laut einer in der Zeitschrift Pediatrics publizierten Studie kann der menschliche Organismus 10.000 Impfstoffe mit jeweils 1000 antigenen Epitopen - das sind Molekülabschnitte eines Antigens, gegen die das Immunsystem Antikörper bildet - in nur einer Woche verarbeiten. Je nach Destination gibt es die Impfpläne. Dass man vor einer Türkei-Reise eine Hepatitis-A-Impfung brauche, erstaunt die Leute, sagt Kollartisch.

Achtung Tollwut

Wovor er und der Grazer Infektiologe Robert Krause eindringlich warnen, ist die Tollwut, die derzeit in Teilen Nordafrikas (Marokko, Tunesien) hochaktiv ist. "Oft genügt es, von einem Hund abgeschleckt zu werden", sagt Krause. Die Viren finden über die Augen ihren Weg in den Körper. Eine Tollwut-Infektion verläuft zu hundert Prozent tödlich, deshalb ist Impfen ganz besonders wichtig.

Grundpackage an Medikamenten

"In der Praxis ist es dann aber so, dass Kunden, wenn sie sich Fernreisen leisten, die Impfungen zu teuer erscheinen", weiß Elisabeth Maurer von der Apotheke zu unserer lieben Frau bei den Schotten in Wien. "Auf die Impf- und Reiseprophylaxe aus Reisebüros darf man sich keineswegs verlassen", sagt aber Gerhard Kobinger, Präsident der Apothekerkammer Steiermark, und legt großen Wert auf ausführliche Beratungen, in denen Reiseziel, geplante Aktivitäten am Urlaubsort genauso wie die gesundheitliche Situation des Kunden, kürzlich überstandene Krankheiten oder kleine Schwachpunkte des Körpers thematisiert werden sollten. Doch ein Grundpackage an Medikamenten hat Kobinger zusammengestellt (siehe links).

Reisediarrhöe

Profan, aber mit Abstand die häufigste Erkrankung bei Reisen in südliche Länder ist der Durchfall. Jeder Zweite erkrankt, in einem Drittel aller Fälle ist der Enterotoxigene Escherichia coli (ETEC), eine Variante des an und für sich natürlich in der Darmflora vorhandenen Escherichia coli, dafür verantwortlich. Die Bakterien kleben sich an die Darmzotten, interagieren und geben Gifte ab.

"Wirkliche Behandlung gibt es nicht, Durchfall ist eine Reaktion, um die Keime aus dem Darm zu spülen", erklärt der Gastroenterologe Thomas Hinterleitner von der Meduni Graz. Medikamente, die Durchfall stoppen, seien deshalb auch nur dann empfehlenswert, wenn keine Toiletten in der Nähe sind. Was Hinterleitner von regelmäßigem Schnapstrinken als Prophylaxe oder probiotischen Medikamenten hält?

Keine Prophylaxe bekannt

"Wir haben keine medizinische Evidenz für die Wirksamkeit in der Vermeidung von Durchfallerkrankungen", berichtete er. Innerhalb von vier Tagen ist es vorbei, vor allem bei Kindern sollte man auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr achten, sagt Tropenmediziner Kollaritsch, in schwierigen Fällen haben sich die Gyrasehemmer unter den Antibiotika für die Behandlung als viel versprechend erwiesen. (Der Standard, Printausgabe, Karin Pollack, 02.07.2007)