Es ging alles sehr schnell. Der Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 hatte die brüderlichsten Gefühle ausgelöst. Im Nu war eine internationale Anti-Terror-Allianz geschmiedet, und Russland erklärte seine Mitgliedschaft. Zwischen der US- und der russischen Politik herrschte volles Einverständnis. Selbst von einer Einbindung Russlands in die Nato war die Rede.

An den Schaltstellen beider Militärs und Geheimdienste war von Vertrauen jedoch wenig zu bemerken. Auf der russischen Seite wurden zehn Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion USA und Nato weiterhin mit der alten Skepsis betrachtet. Einer der führenden Militärexperten, Pavel Felgenhauer, berichtete damals von einem Empfang bei russischen Militärs, wo er mit der leisen Frage, ob die gegenseitige Bedrohung vielleicht doch vorbei sei und Russland ein würdiger Partner Amerikas sein könnte, nur Kopfschütteln und sogar Zorn auslöste.

"Russland und Amerika werden bald wieder getrennte Wege gehen", prophezeite der Politologe Alexej Puschkow Ende 2001. Die erste Ohrfeige kam wenige Wochen später, als die USA plötzlich den ABM-Vertrag (strategische Raketenabwehr) von 1972 aufzukündigen begannen. Bushs Ankündigung, einen Teil der Sprengköpfe, über deren Reduzierung man übereingekommen war, nicht zu vernichten, sondern "für alle Fälle" zu lagern, folgte. Und dass Amerika die im Zuge des Antiterror-Kampfes errichteten Militärbasen in den ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan und Kirgistan auf lange würde halten wollen, war den russischen Militärs von Anfang an klar.

Russland blieb indes nicht passiv: Mit dem katastrophalen Tschetschenienkonflikt handelte man sich den Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen ein; mit der Verhaftung von Yukos-Chef Michail Chodorkowski, der US-Firmen stärker in den russischen Rohstoffsektor hereinholen wollte, Kritik am Justizsystem und an mangelnder Marktwirtschaft; mit der Wahlgesetzgebung den Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit.

Die restlichen Differenzen sind bekannt: Raketenabwehr, Kosovo, Nato-Osterweiterung, Revolutionen auf postsowjetischem Gebiet und zum Teil das iranische Atomprogramm.

Mit dem Ölpreis war das Selbstbewusstsein des Kremls und die Vorstellung gestiegen, als möglicher Kopf einer unklaren Allianz die verhasste monopolare Weltordnung brechen zu können.

Dass die zwei Präsidenten miteinander können und dies nun wieder demonstrieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beziehungen zwischen ihren Ländern und Völkern nie warm geworden sind. Aufschlussreich ist, dass die beiden Staaten wirtschaftlich einander kaum näher gekommen sind. Russlands Handelsvolumen mit der EU betrug im Vorjahr 231 Milliarden Dollar (über 50 Prozent des Außenhandels), jenes mit den USA nur 15 Milliarden. Selbst mit China, auf das man traditionellerweise mit Argwohn sieht, tauscht Russland doppelt so viele Waren wie mit den USA aus.

Selbst das Weiße Haus ließ im Vorfeld des jetzigen Treffens mitteilen, dass man "keine großen neuen Erklärungen" erwarten solle. Die wirkliche Arbeit steht den nächsten Präsidenten bevor. (Eduard Steiner aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2007)