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Auch Russlands Tennisstar Maria Scharapowa warf sich für Sotschi ins Zeug.

Foto: Reuters/Nicholson
Vorsichtig schraubt sich die Boeing durch die dichte Nebeldecke. Wenige Meter über dem Schwarzen Meer zollt die Technik der Natur gesteigerten Respekt. Über dem Wasser bilden sich die Wolken genauso schnell, wie sie wieder verschwinden. Und weil die Natur bei der Ausgestaltung des Landzipfels nicht gegeizt hat, sind die Piloten gefordert. Wenige hundert Meter hinter dem Strand nämlich beginnt die Ebene anzusteigen, um schließlich in die Dreitausender des Kaukasus überzugehen. Sommer und Winter sind hier einen Katzensprung voneinander entfernt. Und die Landebahn ist noch nicht den internationalen Längenstandards angepasst.

Bis zum nächsten Jahr schon soll sich das ändern. "Sotschi ist zum Erfolg prädestiniert", meint Wladimir Schejanow. Der 53-Jährige war früher Vizebürgermeister, seit Kurzem managt er für den russischen Oligarchen Oleg Deripaska den Bau des Olympischen Parks. "Der Masterplan steht, die Investitionen betragen bis zwei Milliarden Dollar", erklärt Schejanow.

Die Oligarchen

Deripaska, in dessen Schlepptau der österreichischen Strabag Milliardenaufträge winken, ist einer der Oligarchen, die Moskau für das olympische Großprojekt gewonnen hat. "Gezwungen", sagt man hinter vorgehaltener Hand. Nicht alle Projekte nämlich sind nachhaltig. "Die Bewerbung ist eine Kopfgeburt der Beamten", wirft ein örtlicher Großunternehmer, der anonym bleiben möchte, ein. Es würden ein Entwicklungskonzept für die Region und die Erfahrungen mit Großveranstaltungen fehlen, "vor allem aber die Infrastruktur".

Von Wahnsinn sprechen Umweltschützer. Ihr Hauptvorwurf richtet sich dagegen, dass Olympiaanlagen im Nationalpark errichtet und eine zweite Straße sowie eine Bahn von der Küste zum 40 km entfernten Skizentrum Krasnaja Poljana gebaut werden. Manche Projekte wie die Bobbahn und eine Liftanlage auf dem Gletscher werden empfindlich nah an das kaukasische Biosphärenreservat heran- oder sogar hineinreichen. "Auerochsen, Steinböcke, Wisent oder Braunbären werden darin geschützt", sagt Dmitri Kapzow von der Nordkaukasischen Ökologiewache. "Hier werden Gesetze gebrochen."

Dass man zuerst Fakten schafft und die Genehmigungen danach einholt, hat der russische Gasmonopolist Gazprom demonstriert. 2002 hatte man hinter Krasnaja Poljana mit dem Bau der Liftanlage für Nobelgäste begonnen. Das Plazet der Behörden kam 2005. Von der Talstation auf 500 Meter Seehöhe geht es mit den Gondeln österreichischer Doppelmayr-Produktion hoch. Dort, wo der Blick auf den Gletscher fällt, sollen 2014 die nordischen Disziplinen stattfinden. Bislang stehen sechs Lifte mit 16 Skitrassen. "Als staatliche Firma hat man auch soziale Verantwortung", sagt Wladimir Makarenko, Vizegeneraldirektor der Gazprominvestarena. Ob er damit meine, dass sich das Projekt nicht rechnet? Der ehemalige Atomphysiker lässt die Frage ins Leere laufen und erzählt von der Zukunft. Neben der Talstation entstehen Dutzende Appartements. Auf dem Hang dahinter hat man "das größte Holzhaus der Welt" mit Swimmingpool und allem erdenklichen Schnickschnack errichtet. Putin selbst sollte hier wohnen, die Präsidialwache habe jedoch die Lage als zu unsicher befunden.

Auf dem gegenüberliegenden Hang errichtet Top-Oligarch Wladimir Potanin soeben die Trassen, auf denen die alpinen Bewerbe ausgetragen werden sollen. "Einen solchen Platz finden Sie in ganz Russland nicht", meint Projektleiter Alexandr Belokobylski stolz. 300 Millionen Dollar investiert sein Chef. Noch ist bis auf die eben angelieferten Doppelmayr-Gondeln wenig zu sehen. Fortan wird es schnell gehen, weiß Belokobylski und erinnert an die Immobilienpreise. "Bis zu 500 Dollar kostet der Quadratmeter bereits. Der Preis ändert sich täglich."

Vor allem die Moskauer Elite kauft sich in Krasnaja Poljana ein. "Früher hat man dich für Spekulationen eingelocht", kommentiert Pensionist Sascha. Nahezu täglich wollen Makler sein Häuschen. Sascha lehnt ab: "Wir brauchen die Spiele nicht. Offiziell soll die Mehrheit der Bevölkerung dafür sein. Aber uns hat niemand gefragt." (Eduard Steiner aus Sotschi, DER STANDARD Printausgabe 3. Juli 2007)