London - Asthma- und sonstige Allergie-Erkrankungen sind seit etwa einem Jahrzehnt in der industrialisierten Welt auf dem Vormarsch - und niemand kennt die Ursachen dafür. Jeder fünfte bis vierte Mensch in diesen Ländern leidet bereits an einer derartigen Störung. Betroffen sind in zunehmendem Maße Kinder. Eine Studie, über die Mitte Juli im britischen Medizinjournal "Thorax" berichtet wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass Allergien häufiger Menschen befallen, bei deren Müttern die Menstruation relativ früh eingesetzt hatte. Je früher die erste Regel bei der späteren Mutter eintrat, desto größer ist offenbar das Erkrankungsrisiko beim Nachwuchs. Kinder von Frauen hingegen, deren erste Monatsblutung erst spät, insbesondere nach dem 15. Lebensjahr, erfolgte, werden weniger von Allergien geplagt. Östrogenkonzentration Der Wissenschafter Baizhuang Xu vom Imperial College der Universität London, der die Studie geleitet hat, vertritt die Ansicht, die vorläufigen Ergebnisse deuteten auf eine mögliche Auswirkung des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen hin. Das Einsetzen der Pubertät bei Mädchen wird durch eine Steigerung der Östrogenproduktion bewirkt - und Mädchen werden heute jünger geschlechtsreif als in früherer Zeit. Andere Studien hatten schon davor Anlass zu der Vermutung gegeben, dass Frauen mit hoher Östrogenkonzentration ein höheres Risiko hätten, eine Allergie zu bekommen. Xu verwies darauf, dass Asthma und Allergien in der Kindheit mehr bei Buben als bei Mädchen aufträten. Mit dem Einsetzen der Pubertät ändere sich dies, dann sind die Mädchen stärker betroffen. Frauen leiden häufiger an Allergien, bis sie zwischen 40 und 50 in den Wechsel kommen. Im Alter gleichen sich die Zahlen der betroffenen Frauen und Männer an. Ausgenommen davon ist die Gruppe jener Frauen, die sich einer Hormonersatztherapie unterzieht, um das Altern hinauszuzögern. Funktion des Immunsystems beeinflusst Manche Experten glauben, dass der Zeitpunkt des Menstruationsbeginns als Indiz für den späteren Östrogenspiegel gelten könne. Je früher im Leben die Monatsblutung einsetze, desto höher sei später die Hormonkonzentration. Östrogen kann auch die Funktion des Immunsystems beeinflussen. Xu räumte allerdings ein, dass die zahlenmäßigen Ergebnisse der Studie nicht allzu augenfällig seien. Beteiligt waren 5.188 Menschen, die 1966 in Finnland geboren wurden. Im Jahr 1997, im Alter von 31 Jahren, wurde bei ihnen der gängige Allergietest mit Einstichen in der Haut vorgenommen. Erfasst wurde unter anderem auch, wann ihre Mütter erstmals menstruiert hatten. Ergebnisse Bei jenen TestteilnehmerInnen, deren Mütter bei der ersten Menstruation erst zwölf oder noch jünger gewesen waren, betrug die AllergikerInnenquote 35 Prozent. Von jenen, deren Mütter mit 13 die erste Regel gehabt hatten, waren 32,9 Prozent AllergikerInnen; 30,2 Prozent waren es bei den Kindern von Frauen, die mit 14 in die Pubertät eintraten, und 30 Prozent bei jenen, deren Mütter zu diesem Zeitpunkt 15 waren. Von denen, deren Mütter erst mit 16 Jahren oder noch später die erste Menstruation gehabt hatten, hatten nur 26,4 Prozent Allergien entwickelt. Im Schnitt hat jene Gruppe, deren Mütter den Menstruationsbeginn mit zwölf oder noch früher erlebten, ein anderthalb Mal so großes Allergieerkrankungsrisiko wie die anderen. In der Studie wird die Vermutung geäußert, dass das - im unterschiedlichen Zeitpunkt des Menstruationsbeginns manifestierte - "mütterliche Östrogenumfeld" das Immunsystem des Fötus auf eine Weise programmieren könne, die mit über die Neigung zu Allergien im späteren Leben entscheidet. Xu vertrat die Ansicht, die einschlägige Forschung müsse auf andere Länder ausgedehnt werden, und statt der Erfassung des Menstruationsbeginns solle besser der Östrogenspiegel direkt herangezogen werden. (AP)