Den Haag - Der wegen Kriegsverbrechen angeklagte ehemalige Präsident des afrikanischen Staates Liberia, Charles Taylor, ist überraschend wieder zu seinem Prozess erschienen. Nachdem er das in Den Haag tagende Sondergericht für Sierra Leone zwei Mal boykottiert hatte, nahm er am Dienstag wieder auf der Anklagebank Platz. Mit Blick auf die in der Zwischenzeit leicht geänderte Anklage bezeichnete er sich erneut als nicht schuldig.

Schon vor dieser Sitzung hatte das Gericht entschieden, das Verfahren gegen Taylor bis zum 20. August auszusetzen. Bis dahin soll das frühere Staatsoberhaupt ein besser als bisher ausgestattetes Team zu seiner Verteidigung erhalten. Den früheren Boykott des Verfahrens hatte Taylor damit begründet, seine Verteidigung sei finanziell und personell so schwach, dass nicht von einem fairen Prozess gesprochen werden könne.

Das von den Vereinten Nationen unterstützte Sondergericht verfolgt die mutmaßlichen Haupttäter des Bürgerkrieges. Es tagt üblicherweise in Sierra Leones Hauptstadt Freetown, doch wurde der Taylor-Prozess aus Sicherheitsgründen nach Den Haag verlegt.

Der 2003 gestürzte liberianische Präsident und frühere Warlord muss sich wegen der Gräueltaten während des zehnjährigen Bürgerkriegs im Nachbarland Sierra Leone verantworten. Er ist unter anderem wegen Mordes, Vergewaltigung, der Rekrutierung von Kindersoldaten und weiterer Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, die Rebellen der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) in Sierra Leone unterstützt zu haben. Diese töteten und verstümmelten während des Bürgerkriegs von 1991 bis 2002 zehntausende Menschen.

Taylor hat sich in elf Anklagepunkten schon vorab für unschuldig erklärt. Zu zwei weiteren Punkten erklärte er am Dienstag ebenfalls, dass er sich nicht als schuldig betrachte. Dabei ging es um die sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen als Zwangsprostituierte. Für deren Bereitstellung sowie für die Lieferung von Waffen, Alkohol und Drogen zur Gefügigmachung von Kindersoldaten soll Taylor Diamanten erhalten haben, die wiederum von Zwangsarbeitern geschürft wurden.

Dem Verfahrensauftakt am 4. Juni war Taylor mit der Begründung ferngeblieben, er werde sowieso keinen fairen Prozess bekommen. Zur Verhandlung am 25. Juni erschien er ebenfalls nicht und ließ zugleich mitteilen, dass er seinen vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger ablehne.

Die für Dienstag geplante erste Zeugenvernehmung wurde verschoben, weil ein neues Verteidigungsteam nicht rechtzeitig benannt wurde, wie die Vorsitzende Richterin Julia Sebutinde erläuterte. Staatsanwalt Stephen Rapp sprach von einem bewussten Versuch Taylors, den Prozess zu behindern. Dem 59-Jährigen droht im Falle eines Schuldspruchs lebenslange Haft. (APA/dpa/AP)