Drucken auf Bestellung - eine Vision des Buchhandels und vieler Interessengruppen. Christine Böhler über Geschäftsmodelle im Netz, die hierzulande noch kaum bekannt sind.
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Wo, bitte, geht's zum "Sudelbuch"?

http://culture.coe.fr/epba, erstellt im Dienst eines "Europa der kulturellen Kooperation", vermittelt Überblicke zu rechtlichen und technischen Aspekten von Print on Demand, ergänzt durch Links zu Publikationen und Archiven.

www.lightningprint.com stellt Techologiepakete für Produktion und Vertrieb zur Verfügung.

www.bod.de ist - siehe auch obige Reportage - einer der größten Anbieter im deutschsprachigen PoD-Raum. Besonders reizvoll ist die Zugriffsmöglichkeit auf ältere Titel des Haffmans-Verlags.

http://www.00h00.com, der französische Internetverlag mit philosophischem und literarischem Schwergewicht besticht durch ausführliche Informationen zu den angebotenen Titeln.

www.editions-cylibris.fr offeriert eine eher wilde Mischung aus Krimis, Science-Fiction-Romanen, Theatertexten - wie gesagt, die Autoren selbst bestimmen, was publiziert wird.

www.swepod.com ist das Internetpodium und ein Archiv für schwedische Autoren, deren Texte sonst von konventionellen Vertrieben mangels eines genügend großen Buchmarkts nicht verfügbar gehalten werden - nicht zuletzt auch Bücher, die in den Sprachen von Minderheiten abgefasst sind.

www.books-on-demand.com wiederum gibt einen Überblick über die sehr spezifische Situation auf dem kleinen schwedischen Publikationsmarkt, der PoD besonders entgegenkommt. Man kann in einem eigenen "Konferenzraum" Erfahrungen mit anderen Autoren und Lesern austauschen.

www.sudelbuch.de, von Jan Ulrich Hasecke im Netz platziert, ist eigentlich eher ein satirisches Internetmagazin, dessen tägliche Beiträge kostenlos via E-Mail-Abonnements erworben werden können. Interessant: Ein "Generationenprojekt", in dem die Geschichte des vergangenen halben deutschen Jahrhunderts "von unten" erzählt werden soll. Die Beiträge/ Erinnerungen dazu stammen von Lesern des "Sudelbuchs", die darin aus ihrem Leben erzählen.

Hagakure. Der Weg des Samurai. Endlich habe ich Ghost Dog, den letzten Jim-Jarmusch-Film gesehen. Und dann habe ich eine Freundin getroffen, die sich das Buch aus Oberösterreich nach Wien mitbringen ließ, das "how to become a Samurai"-Buch, das der coole Auftragskiller zwischen seinen Jobs liest. So cool will ich auch sein - aber der Titel war in Wien wochenlang ausverkauft. Also bestellen, warten. Meine Buchhändlerin erklärt mir: Die Auslieferung hat nichts mehr lagernd. Alternativen? Im Internet, bei www.bod.de, stolpere ich eher zufällig wieder über Hagakure. Hier, beim Grossisten Georg Lingenbrink, kann ich das Buch über Books on Demand bestellen, wird mir am Schirm versichert, ganz einfach. Die Lieferzeiten können erst geklärt werden, wenn ich alle Daten eingegeben habe. Also, ausfüllen. Und dann einen Buchhändler aussuchen. Mein Bildschirm teilt mir mit, dass ich nicht in Deutschland wohne. Aha. Dass ich mir aber dennoch eine Buchhandlung aussuchen solle. Ich klicke auf Wien und erhalte als Dank eine Liste mit Buchhandlungen in Passau, Leipzig und in der deutschen Provinz. Hier wähle ich ziellos. Und nach dieser ganzen Ausfüllerei lese ich: ":-( Uuuuhps, ein Fehler ist aufgetreten, und Ihre Sitzung wurde beendet. Der Webmaster wurde informiert. Um eine neue Sitzung zu beginnen, geben Sie bitte die URL erneut ein." Frustriert rufe ich wieder meine Buchhändlerin an. "Wie lange dauert es inzwischen?" "Zwei Tage, wenn es die Auslieferung lagernd hat." Print on Demand (PoD), Books on Demand (BoD), also Drucken auf Bestellung: Ein Titel wird digital gespeichert und vom Verleger nur dann in Druck gegeben, wenn tatsächlich ein Kunde im Geschäft steht und das Buch kaufen will. Die PoD-Firmen arbeiten mit Buchhandlungen zusammen, oder der Kunde bestellt direkt übers WWW. Gedruckt wird auf riesigen digitalen Laserdruckanlagen, der Kunde kann sich die Ausstattung des Buchs meist aussuchen, manchmal auch die Papierqualität: Taschenbuch oder gebunden, an der Heftung erkennt der Profi das PoD-Werk. In Österreich noch weitestgehend Zukunftsmusik ist Print on Demand in den meisten europäischen Ländern und in den USA bereits Realität: Verlage und Auslieferer versprechen sich von Print on Demand größere Gewinnspannen, Autoren einen einfacheren Weg vom Manuskript zum Buch: Kleine Auflagen, typisch bei Lyrik, Literatur und wissenschaftlichen Werken, sind teuer, erst ab etwa 1000 verkauften Exemplaren wirft ein Titel Gewinne ab. "Pionierphase" Auch die Lagerung des empfindlichen Produktes Buch ist aufwendig und teuer. Wandert ein Titel schnell durch die teuren klimatisierten Regalplätze, dann ist es nicht so schlimm, was geschieht jedoch mit den anderen? Oft haben es Kleinverlage schwer, für ein avanciertes, nicht bestsellerverdächtiges Programm einen Vertrieb zu finden. Dies ist der Aspekt an PoD, der für Autoren spannend ist. In der momentanen "Pionierphase" ist auch noch alles möglich. In Deutschland betreibt Georg Lingenbrinks Firma Libri, einer der größten Buchvertriebe im deutschsprachigen Raum, seit 1999 zusätzlich den PoD-Service www.bod.de - ein Geschäft ohne Risiko, wie man dort meint. Tatsächlich ist auch der Grundtenor der Autorinnen und Autoren mit Erfahrung im PoD-Bereich eher positiv. Bei Libri kann jede und jeder veröffentlichen. Einzig bezahlen muss man. So führt bod.de nach einem Jahr Tätigkeit schon 1000 Titel im denkbar bunten Programm. Am besten verkauft sich derzeit ein Handbuch zur "Wunderpflanze" Noni, gefolgt von Titeln wie dem Hagakure, Zwischen Hakenkreuz und Sternenbanner, Alltag graut - Yachtbesitz bräunt oder Aa iich wor amoll jung. Die Partnerverlage von bod.de - DuMont, Beltz und Haffmans - wollen das "Verfahren für Kleinauflagen und Wiederauflagen vergriffener Titel" nutzen. Im Herbst soll bei bod.de und mit Heinz Ludwig Arnold als Herausgeber der erste deutsche Demand-Verlag für zeitgenössische Lyrik starten. Das Problem dabei ist, dass die Autoren alles selber machen müssen. Jan Ulrich Hasecke, der gerade das Projekt www.sudelbuch.de als PoD-Titel bei Libri herausbringt, weiß von den Problemen, die eine Veröffentlichung mit sich bringt, bei der der Autor auch für Lektorat, Grafik und Werbung zuständig ist. Hilfe findet er hauptsächlich bei Kollegen im Internet. Unter ganz anderen Vorzeichen steht PoD in Schweden, und das schon seit 1997: Nach Streitereien mit dem Schriftstellerverband stellten drei schwedische Autoren gemeinsam mit einer digitalen Druckerei Print on Demand als ihr Alternativmodell vor. Schwedens Buchbranche hat es nicht leicht: Mit knapp neun Millionen Einwohnern bietet sich nur ein kleiner Absatzmarkt. Freie Buchpreisgestaltung seit den 70er-Jahren und dazu eine Mehrwertsteuer für Bücher, die mit 25 Prozent die höchste Europas ist, machen der Branche das Leben schwer. Werden nicht mehr als 1000 Stück im Jahr verkauft, werden viele Werke schlichtweg eingestampft. Digital bräuchten diese Bücher nur ein wenig Speicherplatz, und der ist vergleichsweise billig. Das schwedische Modell setzt auf eine Kooperation von Autoren, Verlagen und Buchhandlungen, die so versuchen, neue Distributionssysteme aufzubauen. Print on Demand wird auch beim Europarat in Straßburg groß geschrieben: als Möglichkeit der Förderung kleiner Literaturen und als Mittel, Zensur zu umgehen. In fast allen europäischen Ländern wird das Drucken auf Bestellung daher auch staatlich unterstützt. Es bietet etwa politisch verfolgten Autoren die Möglichkeit, ihre Werke doch noch erscheinen zu lassen. Die französische Print-on-Demand-Firma 00h00 (Zéro Heure) etwa hat den algerischen Autor Hamid Skif im Programm, der in Deutschland im Exil lebt und hofft, so seine Landsleute zu erreichen. Bei 00h00 bestellen Leser aus der ganzen Welt: Die Hälfte der Besucher der Webseiten kommen nicht aus Frankreich, ebenso ein Drittel der Bestellungen. Pierre Bourdieus La domination masculine etwa war im Ausland über 00h00 bei weitem schneller erhältlich als über bekannte Vertriebskanäle. Ein weiterer vernünftiger Ansatz: In den USA werden mit dieser Technologie Schulbücher zusammengestellt - die Texte werden den Kursen angepasst, und gedruckt wird nur das, was auch benötigt wird. Österreich steckt da noch in den Kinderschuhen. Der WUV-Universitätsverlag etwa produziert zwar schon Skripten nach dem Modell "Drucken auf Bestellung", an der PoD-Variante aber, für die er als Wissenschaftsverlag mit Kleinstauflagen prädestiniert ist, wird noch gearbeitet - Und meinen Hagakure kann ich abholen, sagt mir meine Buchhändlerin. Christine Böhler, Wien, ist Spezialistin für Literatur im Internet. (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 11.8. 2000)