Wien - Konjunktur und Kapitalmärkte in Österreich und in Mittelosteuropa (CEE) sind trotz der höheren Zinsen in guter Verfassung, so die Experten der Raiffeisen Zentralbank (RZB) und der Raiffeisen Centrobank (RCB). 2007 dürfte der Konjunktur-Höhepunkt erreicht sein, ab 2008 sei mit einer langsameren Gangart zu rechnen, so RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Der Wiener Aktienindex ATX könnte bereits im September 5.200 Punkte erreichen.

Im Dezember könnte er dann auf 5.400 Punkte klettern und im März nächsten Jahres wieder auf 5.200 Punkte zurückgehen, so RCB-Chefanalystin Birgit Kuras heute, Mittwoch, bei einer Pressekonferenz. Gestern, Dienstag, lag der ATX bei 4.905 Punkten. Das zweite Quartal sei erfreulich verlaufen, die 5.000-er Marke "wird schon noch kommen, hoffentlich bald." Per Saldo sei alles gut gegangen, es sei aber oft eine "Zitterpartie gewesen".

Experten rechnen mit Zinserhöhungen

Die gut laufende Konjunktur wechsle ab mit Zinssorgen. Gerechnet wird für die Eurozone mit einer Anhebung des Leitzinses auf 4,75 Prozent , wobei es jeweils zum Ende der nächsten drei Quartale zu Zinserhöhungen um je 25 Basispunkte kommen dürfte. Die Wachstumsprognose für Österreich wurde von RZB und RCB für heuer von 3,0 auf 3,2 Prozent angehoben, für 2008 wird mit 2,7 Prozent gerechnet. Die Inflationsrate könnte vorübergehend auf 2,5 Prozent steigen. Die höheren Zinsen belasteten zwar die Kaufkraft der privaten Haushalte, dies sollte jedoch durch die geringere Arbeitslosigkeit überkompensiert werden, so Kuras.

An der Wiener Börse habe es Kursrückgänge bei den höher verschuldeten Unternehmen wie etwa AUA, RHI oder Telekom Austria gegeben, allerdings sei die Niedrigzinsphase genutzt worden, der Anteil der fixverzinslichen Verbindlichkeiten relativ hoch. Die Auswirkungen der höheren Zinsen belasteten zwar, seien aber nicht dramatisch. Verbessert hätten sich auch die Unternehmensgewinne. Erwartet wird nun für 2007 ein Anstieg um 12,8 Prozent. Die Bewertung sei gegenüber den Anleihemärkten nach wie vor relativ gut. Mit der der geänderten Zinssituation werde man lernen zu leben.

Hauptempfehlungen sind voestalpine (Kursziel 86 Euro, Kauf), AT&S (Kursziel 21,5 Euro, Kauf) und Uniqa (Kursziel 30 Euro, Kauf).

Die CEE-Aktienindizes wiesen im ersten Halbjahr zweistellige Wachstumsraten auf - ausgenommen der "Nachzügler Russland". Die Ukraine wies sogar ein Plus von 100 Prozent auf, auch Slowenien und Kroatien liegen sich mit einem Plus von rund 50 Prozent noch vor China mit dem "Spielerparadies Shanghai".

"Nachzügler" Russland holt auf

Russland, bisher "Nachzügler" in Osteuropa bei der hervorragenden Entwicklung der osteuropäischen Aktienmärkte, dürfte angesichts positiver Revisionen bei den Unternehmensgewinnen, vor allem im Öl- und Gassektor, in der zweiten Jahreshälfte aufholen, so der Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank (RZB), Peter Brezinschek. Im Marktdurchschnitt wird Russland nun mit "Übergewichten" bewertet.

2007 und 2008 wird ein Wachstum der Unternehmensgewinne um jeweils rund 20 Prozent erwartet. Ungarn habe sich rasch aus der Krise herausgemausert. Die Defizite gingen ohne Strukturreformen zurück, allerdings auf Kosten der Unternehmen. Die Unternehmensgewinne dürften heuer durchschnittlich um 18 Prozent zurückgehen. Dies werde von den Anlegern aber als Bereinigung gesehen, 2008 sollten die Gewinne um acht Prozent steigen.

Neuzugänge an Bukarester Börse

Für Rumänien rechnen die Experten der RZB mit einer weiteren Steigerung der Liquidität. Verhelfen sollten dazu auch zahlreiche Neuzugänge an der Bukarester Börse. Erwartet wird auch ein verstärkter Mittelzufluss von ausländischen Investoren. Kroatien sei der mit Abstand teuerste Markt. Zuflüsse habe es vor allem von inländischen Investmentfonds gegeben, diese Dynamik habe aber zu Ende des ersten Halbjahres nachgelassen. Im aktuellen Quartal sei mit einer Rückkehr zum Aufwärtstrend zu rechnen, aber mit deutlich geringerer Dynamik. Impulse sollten vor allem durch die bevorstehenden Börsegänge von Magma und der Telekom-Gesellschaft T-HT kommen.

Gutes Umfeld für Banken

Nach Sektoren sieht man bei Raiffeisen für Banken ein "wunderbares Umfeld" in Österreich und CEE, so Stefan Maxian, Leiter der Unternehmensanalyse Österreich und CEE in der RCB. Das höhere Zinsumfeld sollte die Nettozinsmarge unterstützten, in Osteuropa sei weiterhin auch das Konsolidierungsthema aktuell. Zum Kauf empfohlen werden Erste Bank, die ungarische OTP und die rumänische BRD-GSG. Weiter Potenzial wird auch für Versicherungsaktien mit Osteuropaengagement gesehen. Die Performance des von Anleihen dominierten Deckungsstockes dürfte durch die höheren Zinsen zwar kurzfristig leiden, die höheren Zinsen wirken sich aber in der Lebensversicherung auf Grund des Garantiezinssatzes positiv auf den Embedded Value aus.

Weiter Potenzial wird dem Öl- und Gassektor zugeschrieben, allerdings wird den Investoren geraten, selektiver zu agieren. Top-Pick ist die tschechische Unipetrol. Empfohlen wird auch deren Mehrheitseigentümer, die polnische PKN. Die ungarische MOL sei von Übernahmefantasien geprägt, sie dürfte über Banken und anderen Unternehmen bereits rund 42,8 Prozent eigene Aktien kontrollieren, um eine feindliche Übernahme zu verhindern. Es sei nur die Frage, von welcher Seite das Interesse komme, denn es seien auch immer wieder russische Unternehmen im Gespräch gewesen, so Maxian. Zur Anteilsaufstockung der OMV an der MOL von zehn auf 18,6 Prozent sagte Maxian, die MOL liege im zentralen Interessengebiet des österreichischen Energiekonzerns. Ein höherer Anteil würde, sollte ein anderes Unternehmen zum Zug kommen, jedenfalls die Verhandlungsposition der OMV stärken. (APA)