Im Gesundheitswesen geht’s ganz schön zu: Da werden Geldmittel vom Bund über den Strukturfonds an die Sozialversicherungsträger, an die Länder, aber auch an deren Landesfonds transferiert. Da bekommen Krankenanstalten Infusionen von Bund, Ländern, Sozialversicherungen, Fonds, Trägergemeinden oder Gemeindeverbänden. Auch die Patienten müssen manchmal einzahlen.

„Ein Graus, wenn man als Ökonom drauf schaut. Als Staatsbürger geht es mir nicht besser“, so ein Experte im Hintergrundgespräch zum Finanzausgleich angesichts der vielen Kästchen, Pfeile und Summen, die unsere höchst komplexe und komplizierte Finanzierung des Gesundheitssystems dokumentieren. Es gibt Schätzungen, wonach rund zehn Prozent der Gelder in jener Reibungsenergie verpuffen, die dafür notwendig ist, das System selbst aufrecht zu erhalten.

Am Donnerstag starten die Verhandlungen zum österreichischen Finanzausgleich, dem Pakt zur Verteilung aller Steuermittel, die in den kommenden vier Jahren von Fiskus, Ländern und Gemeinden kassiert werden. Schwerster Brocken, den Finanzminister, die Landeshäupter und die Gemeindevertreter zu stemmen haben: die Kosten für das Gesundheitswesen. Diese steigen pro Jahr je nach Bereich zwischen vier und sieben Prozent – also stärker als die Gesamtwirtschaft (die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes liegt aktuell bei 3,2 Prozent, was in Europa Hochkonjunktur bedeutet).

Zugegeben, es sind nicht nur Ineffizienzen, die hier Kosten treiben: Der medizinische Fortschritt, der – manchmal unberechtigt, siehe zuletzt: Krebsheilungsaffäre – bejubelt wird, bringt mit sich, dass Spitäler immer am kostspieligen letzten technischen Stand sein wollen (und auch sollen).

Dazu kommen Faktoren wie die fortschreitende Alterung der Bevölkerung und die daraus entstehenden Ansprüche an die Pflege. Diese geht weit über das hinaus, was am Mittwoch im Parlament beschlossen wurde. So wird es für das ganze Land künftig eine wesentliche Herausforderung sein, ausreichend Betreuungsplätze für Demenzpatienten inklusive Ärzte, Psychologen und Therapeuten zur Verfügung stellen zu können.

Über ein neues Finanzierungssystem im Gesundheitswesen wird seit Jahrzehnten gestritten. Die Länder haben sich bisher durchgesetzt. Über ihre Landesfonds haben sie die Mittel selbst in der Hand, die sie an „ihre“ Krankenanstalten „leistungsgerecht“ verteilen können. Der Bund, dem man den gesamtösterreichischen Überblick zutrauen darf, wird auch jetzt keine einheitliche Leistungssteuerung erhalten. Müssten doch in manchen Ländern aus Kostengründen sofort Krankenhäuser geschlossen beziehungsweise zusammengelegt werden. Und jedem Landeshaupt geht beim Gedanken an eine so unpopuläre Maßnahme sofort das G’impfte auf.

In den Verhandlungen um den Finanzausgleich steht es wieder einmal neun zu eins: Neun Landesfürsten und ein Finanzminister, der wild entschlossen ist, sich diesmal nicht über den Tisch ziehen zu lassen, so wie es seinen Vorgängern mitunter passiert ist.

Wenn es um die Interessen der Länder geht, sind deren Chefs eine über alle Parteigrenzen hinweg verschworene Kampfmann-(plus eine Frau)-schaft. Föderalismus schlägt aber wie so oft die Gesamtvernunft, die mehr sein könnte als nur ein lauer Kompromiss. Das Totschlagargument „Zentralismus“ wäre auszuhalten, wenn dafür eine bedarfs- und leistungsorientierte Ressourcenplanung entsteht, deren Sinn nicht von Grenzen zwischen Bundesländern limitiert wird, seien diese noch so historisch-mythisch aufgeladen.

Eine Staatsreform, die die reale Macht der Länder – „real“ im alten Sinne des Wortes „königlich“ – reformiert, scheint noch denkunmöglich. Es bleibt abzuwarten, was die Staatsreformkommission zur Neuverteilung der Kompetenzen hervorbringt und wie viel davon die Landesfürsten – mangels „Krankheitseinsicht“ – negieren werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.7.2007)