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In Venedig langweilt ein unambitionierter Pantoffelheld.

Foto: APA/EPA/Andrea Merola
Das Gute zuerst: Das tägliche Gedicht. Unprätentiös zwischen zwei Spalten geklemmt, laben den saturierten Leser immer öfter Mehrzeiler völlig unbekannter Menschen aus Litauen, Ecuador, Kanada oder auch Japan. Wenn das mal nicht modern wird. Irrelevanz, reduzierter Wortschatz und schmissige Kürze: Die sympathische Lyrik hat durchaus das Potenzial, das derzeitige Lese-Tiramisu, den "Krimi", vom heimischen Nachtkastl zu stoßen. Wo sich einst Philipp Marlowe einen Elfenbeinturm mit Pepe Carvalho, Jules Maigret, Miss Marple und Wachtmeister Studer teilte, geht er heute in einer Legion somniferer Serienschranzen verloren (gerne auch trunksüchtig, depressiv oder einfach nur geschieden), die von Wien, dem Weinviertel über Reykjavík und Edinburgh bis in das russische 19. Jahrhundert hinein die Welt mit Kindergartenethik rettet. Besonders virulent zeigen sich hier die Italiener: Kaum ein Kaff, in dem nicht Commissari Shakespeare'schen Formats als outgesourcete Touristikwerber ihr gastrosophisches Unwesen trieben. In Triest nervt ein Schwitzer mit einem Lurchnamen, in Venedig langweilt ein unambitionierter Pantoffelheld, in Bari hat ein klaustrophobischer Anwalt den schlechtesten Musikgeschmack seit Hans Krankl, in Florenz vegetiert ein Vati mit Konjunktivitis, und in Sizilien strolcht hie ein bindungsscheuer Fresssack aus Porto Empedocle durch das Land und da ein blader, gleichfalls nudelkundiger Dorfpolizist aus "Montanvalle". Durch ethnolinguistische Einsprengsel, wie "Un caffè, Gino!" oder "Madonna mia!" wird uns weltoffenen Nichtitalienern zur Information über Land und Leute (böse, böse Mafia!) allenthalben saftiges Lokalkolorit geboten. Wirklich gut dran sind die Analphabeten, da die brisanten Thriller samt und sonders mit mittelmäßigen bundesdeutschsprachigen Akteuren uninspiriert und an Originalschauplätzen in Serie verfilmt werden. Danke, Fernsehen! (Una Wiener/Der Standard/rondo/06/07/2007)