Antalya - Der 17-jährige Marco aus Uelzen in Niedersachsen bleibt nach Angaben seines Anwalts in türkischer Untersuchungshaft. Der Prozess gegen den Jugendlichen wurde am Freitag in Antalya vertagt. Ihm wird sexueller Missbrauch einer jungen Engländerin vorgeworfen.

"Die Eltern sind entsprechend angegriffen", sagte sein Verteidiger Nikolaus Walther nach der eineinhalbstündigen Verhandlung. Über den Inhalt des nicht öffentlichen Prozesses wurde nach seinen Angaben Stillschweigen vereinbart. Die Verhandlung werde voraussichtlich am 8. August fortgesetzt.

Unter starkem Medieninteresse hatte der Prozess am Morgen begonnen. Marcos Eltern betraten gegen 9.45 Uhr (Ortszeit) den Gerichtssaal im Justizpalast. Ihr Sohn ist angeklagt, im April in der Türkei eine 13 Jahre alte Britin sexuell belästigt zu haben. Seitdem sitzt er mit 30 anderen Gefangenen in dem türkischen Badeort in Untersuchungshaft.

Zeugin nicht erschienen

Das 13-jährige Mädchen als Hauptbelastungszeugin war nicht zur Verhandlung erschienen. Nach bisheriger Darstellung der Britin kam es gegen ihren Willen zum Kontakt mit dem Schüler. Marco dagegen spricht von gemeinsamen Zärtlichkeiten.

Der Fall Marco hatte hohe Wellen geschlagen, nachdem in Deutschland die Haftbedingungen in der Türkei kritisiert und Politiker auf eine Freilassung des Jungen gedrängt hatten. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten sich in den Fall eingeschaltet, wobei die Kanzlerin zuletzt zu "Behutsamkeit und Ruhe" aufgerufen hatte. Die Türkei hatte empfindlich auf Kritik an ihrer Justiz reagiert und betont, der Paragraf, der sexuelle Kontakte mit Kindern unter Strafe stellt, sei bereits 2005 an EU-Normen angepasst worden.

Medienkritik

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen türkische Zeitungen das Verfahren. Im Zentrum der Berichterstattung stand am Freitag Kritik an deutschen Medien. Der Rechtsanwalt der britischen Familie, Ömer Aycan, sagte der Zeitung "Milliyet", deutsche Medien hätten versucht, Einfluss auf die Justiz der Türkei zu nehmen. "Die Türkei ist ein Rechtsstaat und die Justiz ist unabhängig", betonte er. In der Berichterstattung sei keine Rücksicht auf die Familie oder die emotionale Verfassung des Mädchens genommen worden. "Es ist eine Tragikomödie, dass der Fall von deutschen Politikern sogar im Zusammenhang mit den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei diskutiert wurde."

Bereits am Vortag waren Vorwürfe gegen die deutschen Medien laut geworden. "Sie messen mit zweierlei Maß!", zitierte "Hürriyet" einen empörten türkischstämmigen Vater aus Berlin. Dessen siebenjähriger Sohn war für eine Woche vom Unterricht suspendiert worden, weil er eine Mitschülerin sexuell belästigt haben soll. (APA/dpa)