Sein Bruder zog sich eine Burka über den Kopf und versuchte zu fliehen, Abdul Rashid Ghazi aber blieb in der Lal Masjid, der Roten Moschee in Islamabad, zusammen mit einer unbekannten Zahl von Hardlinern und seiner Kalaschnikow, von der er sich angeblich nie trennt. Der 43-Jährige bereitete sich auf das vor, was er einen "Märtyrertod" nennt.

Dabei war Abdul Rashid immer das zivilisierte höfliche Gesicht der Roten Moschee und ihrer beiden Koranschulen für Frauen und Männer, während sein älterer Bruder Abdul Aziz die Rolle des fundamentalistischen Predigers ausfüllte. Abdul Aziz hatte auch die Führung der Moschee übernommen, die wegen der Farbe ihrer Mauern den Namen "Rote" trägt, nachdem Vater Abdullah Aziz Ghazi einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war.

Im Oktober 1998 geschah das Unglück - der Vater und Gründer der Lal Majid überquerte gerade den Hof der Moschee, als angeblich ein Anhänger einer rivalisierenden muslimischen Gruppe auf ihn feuerte. Die Söhne sind bis heute überzeugt, dass die Regierung das Attentat nicht aufgeklärt hat und die wahren Hintermänner verbirgt. Es war der endgültige Bruch der Ghazi-Brüder mit dem pakistanischen Staat.

Kampf gegen Regierung

Abdul Rashid Ghazi, der eigentlich Geschichte an einer Universität in Islamabad studiert hatte, zog in den Kampf gegen die Regierung. "Unsere Nation braucht Führer, deren Gehälter gleich jenen der Arbeiter sein sollen", steht auf einer Mauer der Roten Moschee, die die Brüder nach und nach in eine Taliban-Kolonie gleich um die Ecke beim Regierungsviertel in Islamabad umfunktionierten. Es geht um moralische Anständigkeit und den Respekt gegenüber der Sharia, der islamischen Rechtsordnung. Die Ghazi-Brüder lassen angeblich korrupte Polizisten und Prostituierte entführen oder Musikläden stürmen. Abdul Rashid, der jüngere, erklärt dann im Fernsehen oder gegenüber Zeitungen, warum das sein müsse.

Studienfreunde und Arbeitskollegen von früher, als Abdul Rashid Ghazi noch einen Job bei der UN-Kulturorganisation Unesco in Islamabad hatte, staunten über den Wandel des Intellektuellen, der neben seinem Bruder die Führung der Moschee übernommen hatte. Westlichen Journalisten gegenüber machte Ghazi keinen Hehl, dass er auf den Planeten Al-Kaida übersiedelt war: 1998 hatte er Osama Bin Laden in dessen Hauptquartier bei Kandahar in Afghanistan getroffen; bis heute feiert er ihn als Helden. Den Kampf gegen die US-Soldaten im Irak verherrlicht er als religiöse Pflicht.

Aufgeschlossener als andere Sektierer in Pakistan zeigt sich Ghazi nur in der Frauenfrage: Die Rote Moschee habe die größte Koranschule für Frauen im Land, seine Ehefrau dürfe sogar Auto fahren. (Markus Bernath, DER STANDARD, Printausgabe, 9.7.2007)