Bild nicht mehr verfügbar.

Schäuble für Handy- und Internetverbot für "potentielle Attentäter"

Foto: Sean Gallup/Getty Images
Die Erregung war so groß, dass sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel selbst genötigt sah, kalmierend einzugreifen. "Denkanstöße" habe Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) doch nur geben wollen, ließ Merkel durch ihren Regierungssprecher Thomas Steg ausrichten, denn im Kampf gegen den Terrorismus dürfe es "weder Denkblockaden noch Denkverbote" geben. Doch der Koalitionspartner SPD war dadurch nicht zu beruhigen. Wieder einmal lässt Schäuble die Sozialdemokraten schäumen.

Denn kurz vor der Sommerpause hat er im Spiegel weitere Anregungen gegeben, wie Deutschland im Antiterror-kampf noch erfolgreicher sein könnte. Schäubles Vorschlag: Man müsse in der Koalition klären, unter welchen Umständen der Staat Terroristen gezielt töten dürfe ("targeted killing"). Wenn beispielsweise die US-Armee Osama Bin Laden gezielt in einer Höhle in Afghanistan töten würde und daran auch deutsche Soldaten beteiligt wären, dann wäre die Rechtslage nicht geklärt. Schäuble: "Die Amerikaner würden ihn exekutieren, und die meisten Leute würden sagen: Gott sei Dank." Für Deutschland müsse daher gelten: "Wir sollten versuchen, solche Fragen möglichst präzise verfassungsrechtlich zu klären, und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten."

Weiters regt der Innenminister an, man könne potenzielle Terroristen ("Gefährder") strenger behandeln. So bezeichnen die Sicherheitsbehörden potenzielle Attentäter aus dem islamistischen Milieu, bei denen zwar Hinweise vorliegen, dass sie in die Planung von Attentaten verwickelt sein könnten, bei denen aber diese Hinweise zur Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens nicht aus_reichen. Wenn es nicht möglich sei, solche "Gefährder" abzuschieben, dann könne man sie "wie Kombattanten behandeln und internieren", sagt Schäuble.

Keine Handynutzung

Er verweist auf den so genannten "Unterbindungsgewahrsam", den es schon für Hooligans bei Fußballspielen gibt. Auch ein "Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy" schlägt der Minister vor. Außerdem will er den Straftatbestand der Verschwörung einführen. Entsetzt sind nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Oppositionsparteien. SPD-Vorsitzender Kurt Beck warnt: "Wir dürfen die Freiheit nicht zu Tode schützen." Grünen-Chef Reinhard Bütikofer erklärt: "Der Innenminister verneint die Unverbrüchlichkeit der Menschenrechte. Er will den Rechtsstaat durch einen Willkürstaat ersetzen." FDP-Fraktionsvize Sa_bine Leutheusser-Schnarrenberger wirft Schäuble vor, er wolle "den politischen Mord legalisieren".

Das Klima in der Koalition ist wegen Schäubles Plänen mittlerweile so gereizt, dass Merkel für diese Woche ein Spitzengespräch zum Thema Sicherheit angesetzt hat. Dabei soll auch geklärt werden, ob die SPD Schäubles Pläne zur Online-Durchsuchung von Computern mitträgt. Die Koalition streitet seit Wochen, ob das Bundeskriminalamt diese Befugnis erhalten soll. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 10.7.2007)