Galerienbusiness und Museumsbetrieb
Dass es in der Kunstszene von SecondLife zum größten Teil ähnlich zugeht wie im realen Leben, wird bei einem Blick auf die mittlerweile zahlreichen Galerien ebenso klar. Nebst Kunsthandel und herkömmlichem Galerienbusiness mit Verkaufsambitionen, präsentieren sich viele Künstler-Avatare auch selbst, um die Werke, die sie im realen Leben produzieren an den "virtuellen Mann" zu bringen. Ein Bild in der White Cube Gallery kostet zwischen 200 und 400 LindenDollar, was umgerechnet in etwa 0,50 bis 1 Euro beträgt.
Ähnlich wie die Galerien haben sich mittlerweile auch Institutionen in SecondLife angesiedelt. Darunter bekannte Namen wie das Wiener Sigmund Freud Museum, das sich zuletzt mit der Ausstellung Wege zum Unbewussten über die Verknüpfungen von Traum, Virtualität, Avatar und Neurose in der virtuellen Umgebung Gedanken macht. Aber auch hier werden die Schautafeln und Litfaßsäulen, die im Vorjahr in der Wiener Innenstadt zu sehen waren lediglich "nachgebaut" und mit einer Teleport-Funktion versehen.
Kunst in SecondLife vs. SecondLife-Kunst
Wirklich interessant wird das künstlerische Schaffen in der "zweiten Welt" erst, sobald die Avatare beginnen, sich selbst zu thematisieren bzw. ihre Umgebung in Frage stellen. Die Unterscheidung in "Kunst in SecondLife" und "SecondLife-Kunst" scheint ähnlich auf der Hand zu liegen, wie dies der Fall bei "Kunst im Internet" und "Netzkunst" ist.
Die Szene ist gerade dabei sich zu formieren. "Innerhalb von nur einer Woche haben sich mehr als 150 Leute in unsere Gruppe eingeschrieben", staunt Michael Mastrototaro, mit dem man sich mittlerweile auch auf der Cross Continental Action Platform (CCA-P) austauschen kann: "Bei unserem ersten virtuellen Meeting haben wir über die Möglichkeiten der Kunst in SecondLife diskutiert und beschlossen transdisziplinär und experimentierfreudig an die Sache heranzugehen. Außerdem führen wir Gespräche mit virtuellen Immobilienhändlern und Avataren, ob sie uns für die geplanten Projekte Raum zur Verfügung stellen können."
Für den nötigen Kunstdiskurs und die dazugehörige Kritik in SecondLife sorgen das SLART Magazine bzw. bedingt auch die vom Axel Springer Verlag herausgegebene Boulevard-Gazette The Avastar.
Eine Galerie, die sich auf die Verbreitung von SecondLife-spezifischer Kunst konzentriert, nennt sich Noema Gallery. Sie vertritt Namen wie Mark Amerika und Giselle Beiguelman, Netzkunstpioniere der ersten Stunde und bezeichnet sich selbst als "cybrid".
Performative Synthesen
Zu Beginn des Jahres stellte das Künstlerkollektiv 0100101110101101.org Performance-Klassiker wie VALIE EXPORTS Tapp und Tastkino (1968), Joseph Beuys 7000 Eichen (1982) und Chris Burdens Shoot (1971) nach und führte so das Kunstschaffen in SecondLife auf konzeptueller Ebene ad absurdum: Lust, Schmerz und Raum haben in der virtuellen Welt eine gänzlich andere bzw. keinerlei Bedeutung. Eva und Franco Mattes Synthetic Performances lassen sich neben der Kritik am System auch wie ein Desideratum an die virtuelle Welt lesen.
Eine weitere Perfomance-Gruppe ist die so genannte SecondFront, die sich auf Dada, Fluxus, Futurismus und die Situationistische Internationale beruft. In Spawn of the Surreal (siehe Video weiter unten) luden die Künstler in die Umgebung eines Theaters ein. Durch Bearbeiten der Programmiersprache von SecondLife wurden die Besucher der Veranstaltung selbst zu Performern, indem sie ungewollt zu surrealistischen Figuren mutierten, die wiederum absurde Handlungen ausführten.
SecondFront - Spawn of the Surreal
Bemerkenswert ist auch das Projekt Begex von zwei Studenten der "wiener kunst schule", die sich als Avatar-Bettler durch die kommerziellen Strukturen der virtuellen Welt schnorren und dabei auf bekannte Probleme aus der richtigen Welt stoßen: Ignoranz, Verbannung und nur wenig Verständnis.