Die kommerzielle White Cube Gallery bietet jungen Künstlern die Möglichkeit, sich zusätzlich in der virtuellen Realität zu präsentieren.

Foto: White Cube Gallery/Carlovitz

Eine Station des Teleport-Spaziergangs zur Ausstellung Wege zum Unbewussten, initiiert vom Sigmund Freud Museum.

Foto: Sigmund Freund Museum

Das Ende 2006 von Richard Minsky gegründete SLART Magazine, eines der ersten Medien für Kunstkritik.

Coverfoto: SLART Magazine

Der Avatar Mastro (Machfeld) bei einem virtuellen Meeting: "Wir haben über die Möglichkeiten der Kunst in SecondLife diskutiert und beschlossen transdisziplinär und experimentierfreudig an die Sache heranzugehen."

Foto: Machfeld

VALIE EXPORTS Tapp und Tastkino (1968), nachgestellt als "synthetische Performance" von Eva und Franco Mattes (a.k.a. 0100101110101101.org).

Foto: Eva and Franco Mattes a.k.a. 0100101110101101.ORG

Tocafondo Beleza und Ferdinand Zapedzki, zwei Avatar-Bettler vom Projekt Begex, die sich durch die kommerzielle Welt von SecondLife schnorren.

"Es ist schwer in SecondLife Kunst zu machen, wenn du keinen Space hast, in dem du dich ausbreiten kannst...", sagt Michael Mastrototaro vom Künstlerkollektiv Machfeld . Zurzeit befindet sich der Medienkünstler als Avatar namens Mastro Yoshikawa auf Recherche in SecondLife. In der virtuellen 3D-Realität, in der Platz eigentlich keine Rolle spielen sollte, trifft er aber auf genau jene Probleme, die auch im echten Künstlerleben quälen: Geld, Zeit und eben Raum.

Galerienbusiness und Museumsbetrieb

Dass es in der Kunstszene von SecondLife zum größten Teil ähnlich zugeht wie im realen Leben, wird bei einem Blick auf die mittlerweile zahlreichen Galerien ebenso klar. Nebst Kunsthandel und herkömmlichem Galerienbusiness mit Verkaufsambitionen, präsentieren sich viele Künstler-Avatare auch selbst, um die Werke, die sie im realen Leben produzieren an den "virtuellen Mann" zu bringen. Ein Bild in der White Cube Gallery kostet zwischen 200 und 400 LindenDollar, was umgerechnet in etwa 0,50 bis 1 Euro beträgt.

Ähnlich wie die Galerien haben sich mittlerweile auch Institutionen in SecondLife angesiedelt. Darunter bekannte Namen wie das Wiener Sigmund Freud Museum, das sich zuletzt mit der Ausstellung Wege zum Unbewussten über die Verknüpfungen von Traum, Virtualität, Avatar und Neurose in der virtuellen Umgebung Gedanken macht. Aber auch hier werden die Schautafeln und Litfaßsäulen, die im Vorjahr in der Wiener Innenstadt zu sehen waren lediglich "nachgebaut" und mit einer Teleport-Funktion versehen.

Kunst in SecondLife vs. SecondLife-Kunst

Wirklich interessant wird das künstlerische Schaffen in der "zweiten Welt" erst, sobald die Avatare beginnen, sich selbst zu thematisieren bzw. ihre Umgebung in Frage stellen. Die Unterscheidung in "Kunst in SecondLife" und "SecondLife-Kunst" scheint ähnlich auf der Hand zu liegen, wie dies der Fall bei "Kunst im Internet" und "Netzkunst" ist.

Die Szene ist gerade dabei sich zu formieren. "Innerhalb von nur einer Woche haben sich mehr als 150 Leute in unsere Gruppe eingeschrieben", staunt Michael Mastrototaro, mit dem man sich mittlerweile auch auf der Cross Continental Action Platform (CCA-P) austauschen kann: "Bei unserem ersten virtuellen Meeting haben wir über die Möglichkeiten der Kunst in SecondLife diskutiert und beschlossen transdisziplinär und experimentierfreudig an die Sache heranzugehen. Außerdem führen wir Gespräche mit virtuellen Immobilienhändlern und Avataren, ob sie uns für die geplanten Projekte Raum zur Verfügung stellen können."

Für den nötigen Kunstdiskurs und die dazugehörige Kritik in SecondLife sorgen das SLART Magazine bzw. bedingt auch die vom Axel Springer Verlag herausgegebene Boulevard-Gazette The Avastar.

Eine Galerie, die sich auf die Verbreitung von SecondLife-spezifischer Kunst konzentriert, nennt sich Noema Gallery. Sie vertritt Namen wie Mark Amerika und Giselle Beiguelman, Netzkunstpioniere der ersten Stunde und bezeichnet sich selbst als "cybrid".

Performative Synthesen

Zu Beginn des Jahres stellte das Künstlerkollektiv 0100101110101101.org Performance-Klassiker wie VALIE EXPORTS Tapp und Tastkino (1968), Joseph Beuys 7000 Eichen (1982) und Chris Burdens Shoot (1971) nach und führte so das Kunstschaffen in SecondLife auf konzeptueller Ebene ad absurdum: Lust, Schmerz und Raum haben in der virtuellen Welt eine gänzlich andere bzw. keinerlei Bedeutung. Eva und Franco Mattes Synthetic Performances lassen sich neben der Kritik am System auch wie ein Desideratum an die virtuelle Welt lesen.

Eine weitere Perfomance-Gruppe ist die so genannte SecondFront, die sich auf Dada, Fluxus, Futurismus und die Situationistische Internationale beruft. In Spawn of the Surreal (siehe Video weiter unten) luden die Künstler in die Umgebung eines Theaters ein. Durch Bearbeiten der Programmiersprache von SecondLife wurden die Besucher der Veranstaltung selbst zu Performern, indem sie ungewollt zu surrealistischen Figuren mutierten, die wiederum absurde Handlungen ausführten.


SecondFront - Spawn of the Surreal

Bemerkenswert ist auch das Projekt Begex von zwei Studenten der "wiener kunst schule", die sich als Avatar-Bettler durch die kommerziellen Strukturen der virtuellen Welt schnorren und dabei auf bekannte Probleme aus der richtigen Welt stoßen: Ignoranz, Verbannung und nur wenig Verständnis.

"Man ist meistens ganz allein...", stellt Mastro zum Abschluss fest und hat damit Recht. Der eigene Avatar pendelt großteils allein von Galerie zu Galerie. "Um viele Leute zu treffen muss man sich schon für Party und Sex interessieren, nicht aber für Kunst." Ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Kunstwelt von SecondLife nicht allzusehr von der echten Welt unterscheidet. (Franz Thalmair)