Wie viel Wahres hingegen an der Information war, die die pakistanische Armee am Vorabend des ersten pakistanischen Atombombentests im Mai 1998 verbreitete, ist heute nicht zu verifizieren: Israelische Kampfjets seien auf dem Weg nach Pakistan, hieß es, möglicherweise, um einen Präventivschlag gegen die Atomanlagen auszuführen. Das würde bedeuten, dass Israel, von wo aus heute öffentlich mit dem Finger nur auf die iranische Nukleargefahr gezeigt wird, schon früh die pakistanische Bombe als eine möglicherweise "islamische" gesehen hat.
Das offizielle pakistanische Narrativ zum möglichen israelischen Militärschlag lautet, dass es die dramatische pakistanische Intervention bei Präsident Bill Clinton war, die die Israelis letztlich davon abhielt. Es gibt aber auch Spekulationen, dass das Gerücht von der pakistanischen Armee gerade deshalb gestreut wurde, um es dem damaligen Premier Nawaz Sharif, der in diesem Sinne von Clinton telefonisch bearbeitet wurde, politisch unmöglich zu machen, den Test abzublasen.
Also war Pakistan, das den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet hatte, am 28. Mai 1998, nach der Detonation von fünf Sprengköpfen in Chagai, auch offiziell ein Atomwaffenstaat. Dem Test waren zwei indische vorangegangen. Der pakistanische Test wurde von der Pakistan Atomic Energy Commission (PAEC) durchgeführt, sehr zum Ärger von A. Q. Khan, dem Chef der Khan Research Laboratories (KRL), der sich trotzdem in der Öffentlichkeit zum alleinigen "Vater der Bombe", oder genauer, "Vater der islamischen Bombe" hochstilisieren konnte.
Khan beliebte den Scherz zu machen, schreibt Gordon Corera in "Shopping for Bombs", dass der Bau der König-Faisal-Moschee in Islamabad, eine der größten der Welt, länger gedauert hatte als der der pakistanischen Atombombe. Auch in diesem Vergleich kommt der Islam vor. Das hielt Khan nicht davon ab, von seinem nuklearen Bauchladen aus, den er in den 1990ern eröffnete, auch nicht islamische Länder wie Nordkorea mit nuklearer Technologie zu versorgen (wahrscheinlich im Tausch für Raketentechnologie). Heute sitzt Khan deswegen in Hausarrest, der – wie pakistanische Medien Anfang Juli meldeten – nun etwas abgemildert wurde, was manche als Retourkutsche gegen die USA deuten, wegen deren nuklearer Zusammenarbeit mit Indien.
Aber zurück: Bereits Zulfiqar Ali Bhutto hatte die pakistanische Bombe als "islamische Bombe" bezeichnet, allerdings als Gegenstück zur "Hindu-Bombe". Vali Nasr macht in "The Shia Revival" darauf aufmerksam, dass aus der "islamischen" Bombe in den 1990er Jahren eine "sunnitische" wurde: in der Mitte der saudisch-pakistanischen-talibanischen Achse im Osten Irans platziert.
Er bezeichnet es als "offenes Geheimnis", dass Saudi-Arabien Hauptfinanzier des pakistanischen Programms war, mit den eigenen Sicherheitsinteressen und regionalen Ambitionen im Sinn – ein Aspekt, der in der Debatte über das iranische Atomprogramm viel zu wenig beachtet wird. Andererseits unterstützte Saudi-Arabien auch, dass sich Pakistan über den Weg der Zusammenarbeit mit den Taliban in Afghanistan die nötige strategische Tiefe gegenüber Indien verschaffte.
Das änderte sich schlagartig nach 9/11, als es für Pakistan, damals längst unter Pervez Musharraf, die unmissverständliche Botschaft aus Washington gab: Wer nicht 100-prozentig mit uns ist, ist gegen uns. Klagen über Pakistan von Afghanistans US-freundlicher Führung haben jedoch nicht aufgehört. Und dass Pakistan mit dem Phänomen im eigenen Staate nicht zu Rande kommt, wurde gerade wieder einmal demonstriert.