Sich ehrenamtlich engagieren: Eine Möglichkeit, dem eigenen Leben Sinn zu geben

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Wien - Jugendliche sind im Stress. Ständig. Nicht nur im Alltag, sondern auch, was ihre grundsätzlichen Lebenseinstellungen betrifft: "Der Modernisierungsstress führt zu einer Werte-Orientierungskrise", erklärt Regina Polak vom Institut für Praktische Theologie, das gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Jugendforschung die Jugend-Wertestudie erstellt hat.

Das weit verbreitete Vorurteil, dass Jugendliche an nichts glauben und keine Werte haben, widerlegt die Studie. Das Problem ist vielmehr die Vielfalt der Gesellschaft in Wertefragen - "Jugendliche finden sich geradezu in einem Werte-Dschungel wieder", meint Polak.

Wenig Luft

Es ist tatsächlich sehr viel, was junge Menschen in ihr Leben packen müssen - schließlich wachsen auch die Anforderungen stetig, gibt Polak zu bedenken: "Jugendliche sollen in möglichst kurzer Zeit eine gute Ausbildung absolvieren, Praktika machen, Sprachen lernen und am besten auch noch Auslandserfahrung sammeln. Für eine Reflexion bleibt da kaum Luft."

Traditionelle Werte geben in diesem Werte-Dschungel Halt. Die Gründe für das Revival konservativer Vorstellungen sehen die Autoren der Studie aber durchaus ambivalent. Weniger gebildete Jugendliche suchen tendenziell einfachere Lösungen im Rückgriff auf die "bessere" Vergangenheit. Besser gebildete Jugendliche hingegen wollen traditionelle und moderne Werte miteinander verbinden.

In diesem Spannungsfeld versuchen junge Menschen zum Beispiel, das individuelle Glücksstreben und die Bereitschaft zur Solidarität unter einen Hut zu bringen. So finden zum Beispiel fast drei Viertel der Jugendlichen, dass der Sinn des Lebens darin bestehe, das Beste herauszuholen. Zugleich sind zwei Drittel der Jugendlichen "hochgradig sensibel" gegenüber ungerechten sozialen Verhältnissen, wird in der Studie erläutert. "Der Egotrip ist ein Minderheitenphänomen", ist Polak überzeugt.

Ehrenamt statt Egotrip

Dafür spricht auch die hohe Bereitschaft der Jugendlichen, sich ehrenamtlich zu engagieren - wenn die Rahmenbedingungen stimmen. "Es ist kein Problem, Jugendliche zu finden, die sich für einzelne Projekte engagieren. Bei langfristigen Dingen ist das schwieriger", weiß Stefan Wurm, der Vorsitzende der Katholischen Jugend Österreichs, die mit 150.000 Mitgliedern Österreichs größte Jugendorganisation ist. Und, ergänzt Wurm: "Immer mehr stellen sich die Frage: Was hab ich eigentlich davon?"

Diese Frage kennt auch Martin Oberbauer, Organisator der Wiener Ehrenamtsbörse. "Viele junge Menschen, die sich bei uns melden, wollen zum Beispiel den Sozialbereich kennen lernen, bevor sie eine entsprechende Ausbildung absolvieren." Die Ehrenamtsbörse fungiert als Schnittstelle. Die Personen, die Oberbauer kontaktieren, sind großteils zwischen 50 und 70. "Das Potenzial ist aber auch bei jungen Menschen da", meint Oberbauer, "obwohl ihre Freizeit meist ziemlich verplant ist."

"Sinnvolles tun"

Besonders unentbehrlich ist ehrenamtliches Engagement für Organisationen wie das Rote Kreuz. Dort hat man die Motivation junger Menschen erhoben, sich zu engagieren: "Neue Erfahrungen sammeln" und "Etwas Sinnvolles tun" steht dabei mit jeweils ca. 70 Prozent ganz oben. Auch "Neue Leute kennenlernen" und der "Spaß an der Sache" (jeweils ca. 50 Prozent) ist den Jugendlichen wichtig. Gefragt nach dem persönlichen Nutzen, geben 77 Prozent an, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun zu wollen. Danach folgen aber bereits die Anerkennung als Praxis für die Ausbildung (60 Prozent) und erwartete Vorteile bei der Jobsuche (50 Prozent).

Fast 6000 Mitglieder hat das Österreichische Jugendrotkreuz. Für Generalsekretär Karl Zarhuber ist die Nachwuchsarbeit unentbehrlich: "Man kann Jugendliche motivieren, wenn sie Verantwortung bekommen - da wachsen sie über sich hinaus." (Andrea Heigl, DER STANDARD Printausgabe, 11.7.2007)