Energieengpass
Das Programm sei wichtig für die Energieversorgung des südamerikanischen Giganten, begründete der Staatschef seine Entscheidung. Angesichts der hohen Wachstumsraten steuern die meisten Länder Lateinamerikas auf einen Energieengpass zu. Erdöl ist auf Dauer zu teuer, Erdgas nicht überall verfügbar. Daher erwägen auch Argentinien und Chile den Bau von Atomkraftwerken. Brasilien verfügt mit Angra I und Angra II an der Küste südlich von Rio de Janeiro bereits über zwei Atomkraftwerke. Angra III wurde angefangen, jedoch nie fertig gestellt. Lula gab nun grünes Licht.
Angra I und II decken etwa vier Prozent des Energiebedarfs. Ziel ist es, mindestens fünf Prozent aus Atomkraft zu decken. Die Anlagen wurden wegen Sicherheitsmängeln von Umweltschützern kritisiert. Lula verteidigte die Atomenergie als "saubere und sichere Energie". Angra III soll 2013 ans Netz gehen. Allein der Bau wird nach Schätzungen der Regierung insgesamt 3,6 Milliarden Dollar verschlingen. Das Energieministerium prüft indes den Bau zweier weiterer Anlagen. Die brasilianische Marine hatte 1979 mit einem Urananreicherungsprogramm begonnen und beherrscht fast alle dazu nötigen Schritte. "Der einzige Prozess, der uns noch fehlt, ist die Umwandlung des konzentrierten Urans zu Gas", erläutert Marine-Kommandeur Julio Mora. Derzeit geschehe dies in Kanada. Schon nächstes Jahr könne Brasilien die Anreicherung aber komplett beherrschen.
Die Vervollständigung des Prozesses war schon immer ein Traum der Militärs, stieß jedoch unter anderem auf Widerstand der USA. Washington fürchtet eine unkontrollierte Proliferation der Technologie. Brasilien gehört wie Argentinien zu den Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrags und des Atomteststopp-Abkommens. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in Wien verfügten beide Länder zwar schon über die technische Ausstattung, hatten bisher aber nicht die Absicht zum Bau von Nuklearwaffen, kommen dafür aber sehr wohl infrage.