Andreas Rosa, Braumeister der Ottakringer Brauerei.

derStandard.at: Ottakringer Bier heute – ist das das Gleiche, wie man es bei der Gründung der Ottakringer Brauerei vor 170 Jahren trinken konnte?

Andreas Rosa: Sicherlich nicht. Die Zeiten ändern sich, das geht auch an Bier nicht vorbei. Wir versuchen natürlich, unseren Charakter zu halten aber die Kundenerwartung führt dazu, dass wir das Bier entsprechend anpassen müssen.

derStandard.at: Vor 170 Jahren hat es zum Beispiel noch kein Dosenbier gegeben...

Andreas Rosa: Das ist richtig. Vor 170 Jahren hat es auch diese Bedürfnisse der Kunden nicht gegeben, das Bier zu jeglichen Events zur Verfügung zu haben, immer griffbereit, entsprechend leicht zu transportieren – und dem kommen wir mit dem Dosenbier entgegen.

derStandard.at: Wenn man die Biere früher generell schwerer waren und man sehr viel mehr Hopfen nehmen musste, damit Bier überhaupt über einige Wochen haltbar wurde: Würde man so ein Bier heute trinken können?

Andreas Rosa: Selbstverständlich. Der Kunde müsste nur wieder behutsam dran geführt werden, dass er sich einem viel intensiveren Geschmack aussetzt beziehungsweise sich darauf einlässt. Natürlich ist man in der Zwischenzeit bei den meisten Sorten mit der Hopfengabe stark zurückgegangen – sie ist in den Hintergrund gerückt, und sie ist aus mikrobiologischer Sicht nicht mehr erforderlich. Aber es gibt auf der anderen Seite doch Liebhaber, die das stark gehopfte Pilsbier schätzen und hoch halten. Wir freuen uns über jeden Biertrinker und Bierfreund, der uns signalisiert: Macht euer Pils weiter so, das ist ein wunderbares Bier! Aber wir wissen auch: das Segment für stark gehopfte Biere ist einfach kleiner geworden.

derStandard.at: Sie als Deutscher bringen wahrscheinlich auch Ihre besondere Liebe zum Pils mit?

Andreas Rosa: Vielleicht. Ich komme aber historisch-geografisch aus dem süddeutschen Raum und da sind die Pilsbiere auch nicht so weit verbreitet und so hoch angesehen. Ich habe ein schlankes, sehr aromatisches Bier, das einen herben Abgang hat, das ist eine Kombination, die ich sehr schätze.

derStandard.at: Sie kaufen den Hopfen persönlich ein, Sie schauen gelegentlich bei den Hopfenbauern in Tettnang vorbei. Was ist das Besondere am Tettnanger Hopfen?

Andreas Rosa: Für mich ist es zweierlei. Einmal die gleichmäßige Qualität, das sehr schöne, blumige Aroma. Und dann ist es natürlich auch ein bissel meine Heimat.

derStandard.at: Wir haben am Anfang das Dosenbier angesprochen. Ottakringer hat sich viel mit Dosenbier beschäftigt, ihr neues Produkt „16er Blech“ ist auch ein Dosenbier. Ist das einfach ein normales Ottakringer Helles, das Sie da abfüllen?

Andreas Rosa: Nein, ganz und gar nicht. Wir haben extra versucht, uns von dem Ottakringer Hellen deutlich abzusetzen. Sowohl die Aufmachung wie auch das Bier spiegeln für mich den derzeitigen Stand der Brauerei wider: einerseits aufgeschlossen mit einer peppigen Verpackung, andererseits aber sehr bewusst, dass der Kunde ein anspruchsvolles Produkt braucht, ein volles, geschmacklich intensives Produkt. Es ist ein Bier, das eben auch wenn es schön kalt getrunken wird, einen ganz, ganz intensiven Geschmack hat, und das haben ganz bewusst so angelegt.

derStandard.at: Es gibt aber auch bei einzelnen bestehenden Sorten eine geschmackliche Weiterentwicklung. Wir lesen das auch immer wieder in den Postings auf derstandard.at: Manche Leute sagen, die Brauereien sparen, sie wollen das Bier einfach billiger machen. Ist die Produktion billiger geworden, wenn die Bierrezepte sich ändern?

Andreas Rosa: Da ist der Fokus bei der Ottakringer Brauerei überhaupt nicht drauf. Wir legen sehr großen Wert, dass wir mit den Ressourcen, die wir haben, sprich: sehr große Vielfalt an Hopfensorten, sehr große Vielfalt an Malzsorten, ein eigenes Brauwasser, wirklich jedes Bier eigens einbrauen. Wir haben ein großes Bestreben, die Biervielfalt vom Brauprozess her so zu behalten, beziehungsweise den Fächer noch weiter zu spannen, als bis jetzt getan wird. Die Automatisierung ist wieder eine ganz andere Geschichte, dass man einfach versucht, Abläufe rund zu gestalten, nachvollziehbar zu gestalten. Das hat aber nichts mit dem Rohstoffeinkauf zu tun.

derStandard.at: Der Rationalisierungsansatz ist also nicht, dass man mit billigeren Rohstoffen, sondern mit intelligenterer Technologie braut.

Andreas Rosa: Das haben Sie sehr schön gesagt. Die Rohstoffe sind das Um und Auf, und da wird sicher nichts daran gerüttelt.