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Patienten kommen oft schon mangelernährt ins Spital, aber auch das dort angebotene Essen wird häufig nicht gut angenommen

Wien - Trotz des Überflusses an Essen "verhungern" in Österreich Patienten mitunter regelrecht. Beinahe jeder Zweite (47 Prozent), der in ein heimisches Krankenhaus eingeliefert wurde, hatte davor an Gewicht verloren. Diese Menschen sind nicht ausreichend mit Energie und Nährstoffen versorgt. Die Folgen sind nicht nur eine eingeschränkte Lebensqualität, sondern auch eine höhere Sterblichkeit und eine längere Krankenhausverweildauer. Mangelernährung zieht sich durch alle Altersschichten, darauf machten Experten in Wien aufmerksam.

Genesung verzögert sich

"Im Krankheitsfall kann das Nicht-Essen die Erkrankung an sich verkomplizieren, die Genesung verzögern", warnte Michael Hiesmayr von der Abteilung für Herz-Thorax-Anästhesie und Intensivmedizin der Medizinischen Universität Wien. Die Menschen sind einfach zu schwach, um gesund zu werden.

Kostenfaktor

Und nicht nur das: Das Problem belastet das Gesundheitssystem schätzungsweise mit zusätzlich 900 Millionen Euro, ist Michael Kunze vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien überzeugt. Das ist in etwa der gleiche Betrag, der durch Adipositas - krankhaftes Übergewicht - verursacht wird.

Umfrage unter Patienten

Bei der bisher größten europaweiten Studie ("NutritionDay in European Hospitals"), bei der Patienten über ihre Ernährungssituation befragt wurden - in Österreich waren es 6.000 Personen -, zeigte sich nicht nur, dass die Hälfte der Menschen mangelernährt ins Spital kam. Zudem haben nur 38 Prozent im Krankenhaus das angebotene Essen vollständig verspeist. Dabei waren die Betroffenen mit dem Essen durchaus zufrieden. Die meisten gaben an, keinen Appetit zu haben oder unter Übelkeit zu leiden. Viele konnten auch auf Grund von Schluckproblemen die Nahrung nicht zu sich nehmen. "Das bedeutet nicht, dass Spitalskost generell unzulänglich oder gar ungesund wäre, sondern dass Patienten bereits am Beginn ihres Spitalsaufenthaltes Mangelernährung aufweisen", meint Kunze.

Zusammenhang mit anderen Lebensbereichen

Der ungewollte Gewichtsverlust tritt laut Kunze im Zusammenhang mit dem Älterwerden, mit Armut, Trauer und Isolation auf. Es hat auch etwas mit chronischen Krankheiten, Operationen, psychischen Behinderungen, psychischen Problemen oder Medikamenteneffekten zu tun.

Unerkanntes Phänomen

Mangelernährung in Österreich wird häufig nicht als spezifisches Phänomen erkannt, weil sie in Verbindung mit anderen Beschwerden auftrete, sagte Kunze. "Außerdem entsprechen Mangelernährte nicht immer unseren Vorstellungen von besonders schlanken Menschen - auch Dicke können mangelernährt sein."

Screening zur Prävention

Um dem Problem entgegenzuwirken, seien etwa systematische Checks bei der stationären Aufnahme notwendig, um gegebenenfalls eine entsprechende Modifikation der Ernährung vornehmen zu können. In den Niederlanden sind solche Screenings seit einem Jahr gang und gebe, sagte Karin Schindler von der ARGE Klinische Ernährung von der MedUni Wien. Im Universitäts-Klinikum Graz wird bereits ein routinemäßiges Mangelernährungs-Screening bei der Aufnahme durchgeführt. Dabei werden vom Pflegepersonal Größe, Gewicht, Gewichtsverlust und Ernährungsgewohnheiten bzw. -probleme erfasst und vom ärztlichen Personal Angaben zu den Erkrankungen gemacht. (APA)