Von Birgit Baumann aus Berlin

Die Anweisung kommt von ganz oben und lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: "Striktissimi" müsse der Energiekonzern Vattenfall, der viertgrößte in Deutschland, die jüngsten Störfälle im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel aufklären, verlangt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und kritisiert: "Mich ärgert es schon – das habe ich auch als Umweltministerin erfahren müssen – wenn solche Vorschriften im Alltag dann doch nicht so eingehalten werden."

Zum zweiten Mal binnen weniger Tage ist das AKW, das seit 1983 in Betrieb ist, in Schwierigkeiten. Zunächst brannte ein Transformator, danach gingen Computerdaten über den zeitlichen Ablauf des Störfalls zum Teil verloren und nun wurde bekannt, dass 14 Dübel in der Anlage möglicherweise nicht korrekt eingebaut wurden.

Vattenfall vom Netz genommen

Das AKW ist derzeit vom Netz genommen, was Vattenfall täglich 500.000 Euro kostet. "Störfall, Unfall, Vattenfall", höhnen die Grünen aus dem nahe gelegenen Hamburg und das schließt auch das Atomkraftwerk Brunsbüttel ein. Auch dieses wird von Vattenfall in Schleswig-Holstein betrieben, auch dort hat es gebrannt. Brunsbüttel ist mittlerweile aber wieder am Netz.

Doch Druck wegen der Pannen und der tröpfchenweise ausgegebenen Informationen von Vattenfall bekommt der Energieriese nicht nur von der Ökopartei. Gitta Trauernicht (SPD), die in Schleswig-Holstein zuständige Ministerin für Reaktorsicherheit, prüft, ob Vattenfall die Lizenz entzogen werden kann.

"Ich werde in Absprache mit dem Bundesumweltministerium alle mir zur Verfügung stehenden Instrumente ausschöpfen", sagt Trauernicht. Verärgert ist sie, weil Vattenfall nach dem Vorfall zunächst erklärt hatte, der Brand auf dem Reaktorgelände habe keine Auswirkungen auf den eigentlichen Reaktor: "Wenn jemand als Betreiber nicht weiß, was das eigentliche Reaktorgelände ist, dann müssen wir davon ausgehen, dass er die Grundkenntnisse nicht beherrscht." Krümmel und Brunsbüttel gehören zu den ältesten deutschen AKWs, derzeit sind von 19 noch 17 am Netz. Gemäß dem unter Rot-Grün im Jahr 2000 vereinbarten Atomausstieg soll in 20 Jahren keines mehr in Betrieb sein. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD Printausgabe 12.7.2007)