Petra ist wohl eine der berühmtesten Kulturstätten in Jordanien und zählt seit kurzem auch zu den neuen sieben Weltwundern (derStandard.at berichtete).

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Grafik: Der STANDARD

Mit Reiseführern muss man eben Glück haben. Aber auch sie mit uns, der Reisegruppe. Sie wissen nie, was wir schon wissen, und uns fällt oft gar nichts anderes ein, als schon zu Mittag nach dem Programm von morgen zu fragen. Wer mit Eid Khraisha in Jordanien unterwegs ist, hat das Glück, wortreiche Erinnerungen eines Beduinen präsentiert zu bekommen.

Schon auf dem Weg von der Hauptstadt Amman ans Tote Meer fallen die Nomadenzelte abseits der Straße auf. Wo immer die mobilen "Daheims" stehen, allein im Wüstensand oder verborgen in Felsvorsprüngen, sind Kinder nicht weit. "Schau, so haben wir es auch gemacht", sagt Eid und deutet auf die Kinder, die ihre Sandalen unter die Achseln geklemmt haben. "Ohne Schuhe bist du einfach schneller."

Als Eid vor 52 Jahren geboren wurde, stand das Zelt seiner Familie gerade beim Jordan, ganz nahe von dort, wo heute die Taufstelle Jesu vermarktet wird. Das in Flaschen gefüllte "heilige Wasser" verfolgt Touristen bis in die Freihandelszone der südlichen Stadt Akaba am Roten Meer. Als er zwölf war, zog Eids Familie in eines der Häuser, die der damalige König Hussein aus dem Boden stampfen ließ, um Beduinen sesshaft zu machen. Ein Anliegen, das Husseins Sohn Abdullah als heutiger König immer noch verfolgt. Die in der Bevölkerung gespaltene Haltung dazu spiegelt sich recht deutlich in den Siedlungen wieder: Viele der kleinen Würfelhäuser sind mit Zelten erweitert.

Ob das Tote Meer, 400 Meter unter Seehöhe, tatsächlich tot ist, ist Ansichtssache. Auf Arabisch heißt das Gewässer, das sich Jordanien mit Israel teilt, Meer des Lot. Drinnen tummeln sich jedenfalls Hautkrankheiten lindernde Bakterien, und natürlich Touristen, die wegen des 30-prozentigen Salzgehalts immer oben schwimmen. In Wahrheit liegt das Tote Meer aber seit 35 Jahren im Sterben. In dieser Zeit ist es um ein Drittel geschrumpft, jedes Jahr fällt der Wasserspiegel um einen Meter. Derzeit wird ernsthaft überlegt, einen rund 250 Kilometer langen künstlichen Kanal vom Roten zum Toten Meer zu graben, doch das Projekt ist ökologisch heftigst umstritten.

Kurz vor der antiken Felsengräberstadt Petra lüftet Eid das Geheimnis seiner perfekten Deutschkenntnisse. Nach dem Schulabschluss verbracht er sieben Jahre in Deutschland, studierte unter anderem am Goethe-Institut in Mannheim-Heidelberg. Die blumige Ausdrucksweise der arabischen Sprache hat er ins Deutsche mitgenommen. Ein läppisches Ja oder Nein gibt es bei Eid nicht.

Ein vielsagendes Beispiel der morgenländischen Ausführlichkeit liefert auch eine zweisprachige Inschrift über einem der in den Sandstein gehauenen Gräber in Petra. Auf Nabatäisch, der Sprache des Gründervolkes, heißt es da (übersetzt): "Dies ist der Begräbnisort, der von Abdmank, Sohn des Akayus, Sohn des Shullay, Sohn des Utaih, ausgesucht wurde für die Errichtung eines Grabes für ihn selbst, für seine Erben und die Erben seiner Erben, für die Ewigkeit und darüber hinaus." In der griechischen Version heißt es nur mehr: "Abdomanchos, Sohn des Achaios, hat dieses Monument für sich und seine Kinder gebaut."

Eid hat Petra, die mehr als 2000 Jahre alte Hauptattraktion Jordaniens, schon hunderte Male staunenden Touristen gezeigt. Trotzdem kommt er auch immer wieder allein hierher. Schon der Zugang zu der früheren Karawanenmetropole durch eine manchmal nur drei Meter breite Schlucht, die in allen Tönen von Rot, Braun und Ocker leuchtet, ist beeindruckend. Einen Kilometer zieht sich der Siq (Schlucht), bevor sich plötzlich der mittlerweile weltberühmte Blick auf eine 40 Meter hohe Fassade im Sandstein eröffnet: das Schatzhaus, das aber eigentlich ein Grab ist, wie eine Urne im Relief beweist. Seit Steven Spielberg 1989 vor dieser Kulisse das Finale seines dritten Indiana-Jones-Films drehte, schiebt ein Wüstenpolizist Wache, um freundlich aber bestimmt neuzeitliche Graffitis im Sandstein zu verhindern.

Hunderte Felshöhlen der Nekropole haben im Gegensatz zu den Häusern der ehemaligen Bewohner die Jahrtausende überdauert. Im so genannten Soldatengrab sollen Djinns ihr Unwesen treiben. Die mutwilligen Geister arabischer Volkslegenden treten zwar in Menschengestalt auf, sind aber leicht an senkrechte Augen sowie Hufen zu erkennen. Und: Size matters. Männliche Djinns sind mit gigantischen Penissen ausgestattet, weibliche mit riesigen Brüsten.

Eid liebt es, seine Kundschaft zum Lachen zu bringen. Manchmal funktioniert es aber auch umgekehrt: Die Geschichte vom sonnenbrandroten Jordanienbesucher, der fasziniert seine im spektakulär roten Sand der Wüste Wadi Rum aufgesammelten Steinchen präsentierte, wird Eid noch oft am Lagerfeuer erzählen. Und sich immer wieder vor Lachen schütteln, wenn er sich vorstellt, dass irgendwo trockene Kamelscheiße als Mitbringsel in einer Vitrine liegt. (Michael Simoner/Der Standard/Rondo/13.7.2007)