Für Herwig van Staa ist das Ötztal die hochwassergefährdetste Region Tirols. Er will Schutzbauten errichten lassen und diese energiewirtschaftlich nutzen. Sogar einen Speicher im Rofental bringt van Staa wieder ins Spiel und erfreut damit nicht einmal die Tiwag - Von Hannes Schlosser

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Innsbruck – Seit Wochen lässt Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa kaum eine Gelegenheit aus, auf die wegen des Klimawandels steigende Hochwassergefahr hinzuweisen. In seinem Auftrag hat der Münchner Wasserwirtschaftler Theodor Strobl ein Gutachten erstellt, dessen Ergebnisse noch nicht veröffentlicht werden. "Wir besprechen das vorerst amtsintern und mit den betroffenen Bürgermeistern", betont der Landeshauptmann. Offenbar bestätigt das Gutachten, was van Staa seit zwei Jahren behauptet: "Das Ötztal ist die hochwassergefährdetste Region Tirols."

Ins Stocken geratene Kraftwerkspläne

Im Landtag sagte van Staa vorige Woche, dass Strobls Gutachten eine "eindeutige Sprache" spreche, weshalb im Ötztal Venter und Gurgler Ache in einen Speicher Taschachtal abgeleitet oder ein Speicher im Rofental errichtet werden soll. "Man merkt die Absicht und ist verstimmt", erklärt Erika Holzknecht vom Aktionsbündnis Ötztal, denn allzu gut fügen sich Hochwasserschutz und die ins Stocken geratenen Kraftwerkspläne der Tiwag ineinander.

"Vom Tisch"

Diese hat im Oktober 2006 angekündigt, sich auf einen Ausbau der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz zu konzentrieren. "Wir arbeiten an der Umweltverträglichkeitserklärung für dieses Projekt und wollen diese Anfang 2009 einreichen", erklärt Tiwag-Chef Bruno Wallnöfer diese Woche. Sicher ist, dass die Tiwag von einem Speicher im Rofental oberhalb des Bergsteigerdorfes Vent nichts mehr wissen will.

Speicher mit ökologischen Problemen

Im Herbst 2006 erklärte sie den Bewohnern der Region per Postwurf: "Ein Speicher Rofen ist vom Tisch." Am Dienstag grenzte sich Wallnöfer deutlich von van Staas Vorschlägen ab: "Ein Speicher Rofen ist mit so großen technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Problemen behaftet, dass ein derartiges Projekt von uns nicht weiter verfolgt wird." Vorgezogene Bachableitungen, "um den Hochwasserschutz im Ötztal rasch zu verbessern", kann sich Wallnöfer vorstellen, wenn dies die Arbeiten an Sellrain-Silz nicht beeinträchtigt.

Ötztaler Hochwasserkatastrophe von 1987

Gutachter Strobl will derzeit zu seiner Expertise nicht Stellung nehmen und verweist auf den Auftraggeber. "Ende Juli habe ich einen Termin in Innsbruck, vielleicht wird da das Gutachten präsentiert." Zentral in van Staas Argumentation ist die Ötztaler Hochwasserkatastrophe von 1987, bei der 13 Menschen ums Leben gekommen sind. Unerwähnt bleibt dabei allerdings, dass fast alle diese Opfer beim "Hochwasserschauen" starben, als eine von der Ötztaler Ache unterspülte Straße weggerissen wurde.

Ötztal

Eindeutig ist auch die Sichtweise von Herbert Aulitzky, der sich an der Uni Innsbruck über Jahrzehnte mit dem Hochwasserschutz befasst hat. In einem nach der Katastrophe von 1987 veröffentlichten Artikel schreibt er, dass es davor im Ötztal 300 Jahre lang keinen einzigen Hochwassertoten gegeben habe – ganz im Unterschied zu vielen anderen Tälern. Bemerkenswert ist auch, dass die Region um Vent ein inneralpines Trockengebiet ist, deren Jahresniederschlagsmenge mit 675 Millimeter rekordverdächtig niedrig ist.

Klimafreundlichkeit

Nicht ganz aufgegangen ist am Dienstag Wallnöfers Idee, sich von einem Experten die Klimafreundlichkeit seiner Kraftwerksprojekte bestätigen zu lassen. Klaus Schöpf vom Institut für Theoretische Physik an der Uni Innsbruck wies der Wasserkraft zwar den höchsten "Energieerntefaktor" zu. Das ist jene Messzahl die den Energieaufwand zu Errichtung, Betrieb und Stilllegung von Kraftwerken deren erzeugter Nutzenergie gegenüberstellt.

Demnach ist die Wasserkraft mit einem Faktor zwölf bis 16 konkurrenzlos. Allerdings sind die Tiwag-Projekte allesamt Pumpspeicher, wo Wasser mit billigem Bandstrom immer wieder zwischen zwei Speichern hochgepumpt wird. Dazu Schöpf auf Nachfrage: "Pumpspeicher sind keine Energieerzeuger. Da kann man von keiner Energieernte sprechen, das funktioniert wie eine Batterie." (Hannes Schlosser/DER STANDARD Printausgabe 12.7.2007)