Wien – Gender-Themen waren schon einmal populärer. Das gilt für die Gesellschaft im Allgemeinen und für die Jugend im Besonderen. Und das obwohl der gesellschaftliche Wandel junge Menschen geradezu dazu zwingt, die Geschlechterrollen neu zu definieren, nämlich sowohl in der Familie als auch im Berufs leben. Der Begriff "Gender" ist im allgemeinen Sprachgebrauch zwar längst verankert; was damit gemeint ist, nämlich die soziale Geschlechterrolle, ist für viele nach wie vor ein "Aha-Erlebnis", weiß Katharina Miko vom Institut für Genderforschung der Universität Wien.
Patriarchalische Strukturen
Von Geschlechtergerechtigkeit sind trotz Aufbrechens patriarchalischer Strukturen bestenfalls "zunehmend Ansätze" erkennbar, resümieren die Autoren der Jugend-Wertestudie, die das Österreichische Institut für Jugendforschung und das Institut für Praktische Theologie gemeinsam erstellt haben.
Bei Männern dominiert traditionelles Rollenbild
Besonders bei Männern dominiert ein traditionelles Rollenbild, das selbst bei den Befragten 14- bis 24-Jährigen tief verwurzelt ist. Über 50 Prozent der männlichen Jugendlichen finden, dass Erfolg im Beruf für einen Mann wichtiger ist als für eine Frau und dass Frauen für andere Aufgaben bestimmt sind als Männer. Genau die Hälfte der 14- bis 24-Jährigen gibt an, dass eine Frau einen starken Mann an ihrer Seite braucht. Von den Frauen selbst finden das immerhin 36 Prozent.
Frauen aufgeschlossener
Dies lässt, resümieren die Autoren der Jugend-Wertestudie, darauf schließen, dass Männer nach Anerkennung durch Macht und Erfolg streben, sich aber gleichzeitig von Familienarbeit abgrenzen. Insgesamt stehen junge Frauen einer Neudefinition der Geschlechterrollen wesentlich aufgeschlossener gegenüber als junge Männer.
Ein weiteres Ergebnis macht stutzig: Drei Viertel aller jungen Frauen glauben, dass es für Männer schwierig ist, wenn ihre Partnerinnen erfolgreicher sind. "Lassen sich Frauen in ihrem Streben nach Erfolg dadurch behindern, um Beziehungen nicht zu gefährden?", fragen daher die Autoren der Studie.
Weiter Weg bis 50-50
"Die 50-50-Gesellschaft ist bei Weitem nicht realisiert", findet Miko. Nach wie vor sind es Frauen, die durch die "doppelte Sozialisation" vor große Herausforderungen gestellt werden: Sie müssen versuchen, sowohl Nachwuchs als auch berufliche Ziele in ihr Leben zu packen. Diese Verantwortung nehmen aber zunehmend auch junge Männer wahr: 75 Prozent der männlichen Befragten finden, dass Väter nur so viel arbeiten sollen, dass auch genügend Zeit für ihre Kinder bleibt – so weit die sozialwissenschaftliche Theorie. In der Erziehungspraxis zeigt sich freilich ein anderes Bild: zum Beispiel dass "Mädchen weit mehr bei der Hausarbeit eingespannt werden als Buben", erläutert Katharina Miko.
Auffällig ist, dass die Zahl der Kinder, die Frauen sich wünschen, höher ist als die Zahl der Kinder, die tatsächlich zur Welt gebracht werden. "Strukturelle Faktoren" seien hierfür der Grund, meint Miko – viele Frauen scheitern schlicht an der praktischen Umsetzung der vielerorts gewünschten Kombination von Kind und Karriere.
Männlichkeit preisgeben