Das Schreiben mit dem etwas trockenen Titel "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" stellt einmal mehr klar, dass die Bezeichnung "Kirche" nach Ansicht der römisch-katholischen Kirche einzig ihr allein zusteht, mit gewissen Einschränkungen auch den orthodoxen Kirchen, aber nie und nimmer den evangelischen Kirchen. Denen fehle nämlich die apostolische Sukzession im Weihesakrament und damit "ein wesentliches Element des Kircheseins". Diese "kirchlichen Gemeinschaften" könnten daher "nach katholischer Lehre nicht 'Kirchen' im eigentlichen Sinn genannt werden".
Von der römischen Kirche wird dagegen einmal mehr behauptet, sie - und nur sie allein - sei mit der einen Kirche Jesu Christi identisch, von der die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse sprechen. In diesem Sinne interpretiert Rom die Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, die einzig wahre Kirche "subsistiere" in der katholischen Kirche. Mit dem Wort "subsitit" - einem lateinischen Fachausdruck für theologische Feinspitze, der sich nicht wirklich übersetzen lässt - habe das Konzil keineswegs den römischen Alleinvertretungsanspruch abschwächen, sondern lediglich klarer zum Ausdruck bringen wollen, dass es immerhin "Elemente der Heiligung und der Wahrheit" auch außerhalb derselben Kirche gebe. Mehr nicht.
Aus Träumen erwacht
Wer im Ernst geglaubt hat, Joseph Ratzinger würde, sobald er erst einmal Papst sei, für ökumenische Überraschungen sorgen, dürfte nun endlich aus seinen Träumen erwachen. Immerhin trug schon die Erklärung "Dominus Iesus" im Jahr 2000, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, seine Handschrift. Hier handelt es sich keineswegs um diplomatische Ungeschicklichkeiten, sondern um theologischen Vorsatz. Entsprechend scharf sind die Reaktionen evangelischer Kirchenvertreter ausgefallen, darunter des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber.
Sehenden Auges wird die Ökumene von katholischer Seite einmal mehr brüskiert. Kompromittiert werden aber auch viele katholische Theologen und Theologinnen, die Roms negative Sicht der übrigen Kirchen kritisieren und für eine offenere Lesart der Konzilsdokumente eintreten. Unmissverständlich warnt die Glaubenskongregation vor "irrigen Interpretationen" der reinen Lehre.
Sektiererische Züge
Die Art und Weise, in der Rom einmal mehr seinen Standpunkt unterstreicht, die einzig wahre Kirche zu sein, trägt sektiererische Züge. In einem amtlichen Kommentar zum neuen Schreiben räumt die Glaubenskongregation ein: "Der katholische Ökumenismus kann auf den ersten Blick paradox erscheinen." Aber was heißt hier "auf der ersten Blick"? Er ist es grundsätzlich, denn in letzter Konsequenz läuft er auf eine Absage an die Ökumene hinaus. "Splendid isolation" statt "splendor veritatis", wie eine Enzyklika Johannes Pauls II. hieß.
Trotzig wird den evangelischen Kirchen ihr vermeintlicher "defectus ordinis", ihre angebliche Trennung von der apostolischen Sukzession vorgehalten, von der in Wahrheit keine Rede sein kann. Dass die römische Kirche selbst an schweren Defekten leidet - ihr fehlen der gleiche Zugang von Männern und Frauen zum geistlichen Amt, die paritätische Mitwirkung von Laien an der Kirchenleitung in Presbyterien und Synoden oder die Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Wahrheitsansprüche -, kommt dem Vatikan nicht in den Sinn.
Im Vorfeld des Papstbesuches in Österreich sei gesagt, dass es eine Ökumene mit Rom, welche die Anerkennung des römischen Primats und die Bindung der Apostolizität der Kirche an die bischöfliche Amtssukzession der katholischen Kirche zur unabdingbaren Voraussetzung erklärt, niemals geben wird. Sie existiert nur in der Fantasie katholischer Kirchenführer.
Respekt verweigert
Wahre Ökumene beginnt erst dort, wo Kirchen einander als Kirchen "im eigentlichen Sinne" anerkennen, wie es unter vielen Kirchen ja längst der Fall ist. Solange Rom den protestantischen Kirchen diesen Respekt verweigert, schließt es sich selbst aus dem Kreis der ökumenischen Familie aus.