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Zu antiquiert und festgefahren erscheinen Jugendlichen die Strukturen, zu gering die Möglichkeiten, etwas zu verändern.

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Wien - Es ist, könnte man sagen, ein Henne-Ei-Problem: Sind Jugendliche so wenig politisch engagiert, weil die Politik so antiquiert ist? Oder ist die Politik so antiquiert, weil sich die Jugendlichen nicht einbringen? Fest steht: Viele junge Menschen haben den Eindruck, dass sie ohnehin nichts verändern können - das geht aus der Jugend-Wertestudie hervor.

Demnach interessieren sich nur vier Prozent der befragten 14- bis 24-Jährigen "sehr" für Politik, weitere 29 Prozent "etwas". Mit Politik wird dabei in erster Linie Parteipolitik assoziiert - und alles, was sie mit sich bringt: hierarchische Strukturen, fehlende Partizipationsmöglichkeit, nicht eingelöste Wahlversprechen. Im Vergleich der vergangenen Jahre befindet sich das Politik-Interesse auf einem absoluten Tiefststand: 2000 interessierten sich immerhin noch sieben Prozent "sehr" für Politik.

Da wird schnell das Schlagwort der Politikverdrossenheit bemüht - weil "junge Menschen sich heute weigern, sich in die Politik von gestern zu integrieren", resümiert Studien-Mitautorin Katharina Hatwagner vom Österreichischen Institut für Jugendforschung. "Ich verstehe das", gibt Silvia Fuhrmann, Bundesobfrau der Jungen VP und Nationalratsabgeordnete, freimütig zu.

Was bringt's mir?

"Junge Menschen sind mehrheitlich gut gebildet und kritisch. Die stellen sich zu Recht die Frage: Was bringt mir Politik?", glaubt Fuhrmann. Man müsse zeigen, dass es Möglichkeiten gebe, etwas zu verändern - "deswegen setzen wir als JVP auch auf Jugendarbeit in den Gemeinden".

Torsten Engelage, Bundes-Obmann der Sozialistischen Jugend, meint, es liegt vor allem an der "Inszenierung, Verkürzung und Dramatisierung", die Jugendliche von der Parteipolitik wahrnehmen. "Da wird regelmäßig die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben, letztlich passiert aber wenig."

Politik muss daher, findet Engelage "erlebbar und durchschaubar" werden. Auch Fuhrmann tritt dafür ein, die politische Bildung in den Schulen zu verstärken - und zwar besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass ab kommendem Jahr Jugendliche bereits ab 16 wählen dürfen.

Für Igor Mitschka, der sich als Obmann des Vereines "Coole Schule" engagiert, fehlen vor allem "Politiker, die Jugendliche ernst nehmen und als gleichberechtigte Partner akzeptieren". In der Schule, meint der 15-Jährige, genüge es nicht, "Demokratie aus Büchern zu lernen. Man muss sie selbst erfahren, zum Beispiel in der Schülervertretung."

Die Jugend-Wertestudie bestätigt, dass die Schule der ideale Ort für die Politikvermittlung wäre - immerhin haben mehr als 70 Prozent der Befragten "sehr viel" oder "viel" Vertrauen in diese Institution. Die Schule liegt damit weit vor der Polizei (62 Prozent), dem Parlament (30 Prozent) oder der Kirche (29 Prozent). Bei nur 20 Prozent liegt das Vertrauen in politische Parteien.

Ganz gut bestellt ist es um die demokratischen Grundwerte der jungen Österreicher. Immerhin acht von zehn stimmen zu, dass jeder Mensch das Recht hat, für seine Meinung einzutreten. Sieben von zehn sehen es als demokratische Pflicht, wählen zu gehen. (Andrea Heigl, DER STANDARD - Printausgabe, 13. Juli 2007)