Wien - "Ich halte gar nichts davon, dass BürgermeisterInnen ,Obersheriffs' spielen sollen": Die Idee von Justizminister Dieter Böhmdorfer (FP), verurteilte Kinderschänder den Bürgermeistern zu melden, wird vom Präsidenten des österreichischen Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer, klar abgelehnt. Auch in den Städten findet die Schaffung einer "Pädophilen-Wachtlist" wenig Gefallen. Justizminister Böhmdorfer hatte am Wochenende einen entsprechenden Vorschlag gemacht, nachdem eine Salzburger FPÖ-Gemeinderätin die Veröffentlichung von schuldig gesprochenen Kinderschändern in Anlehnung an eine - mittlerweile eingestellte - Zeitungskampagne in Großbritannien verlangt hatte. Böhmdorfer hatte das Verlangen zunächst für "diskussionswürdig" gehalten. Nach ablehnenden Stellungnahme von ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat und Wortmeldungen der FPÖ-Spitzen modifizierte er: Er glaube, "dass es zu einem verbesserten Informationssystem gehören könnte, wenn die Bürgermeister bestimmte Informationen bekommen, die ihnen helfen könnten, die betroffenen Bevölkerungskreise besser zu schützen". Die Nennung in Zeitungen widerspreche aber "jeder Rechtsstaatlichkeit und spricht klar gegen die Grundrechte der Täter". "Für mich ist es sehr wichtig, dass man öffentliche Stellen, das heißt die jeweilige Wohngemeinde und die Sicherheitsbehörden, informiert", hatte zuvor FPÖ-Chefin Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer erklärt. FP-Generalsekretärin Theresia Zierler hält "jede Idee, die den Kinderschutz fördert", für überlegenswert. - "Aber zu Lynchjustiz und zur Gefährdung Unschuldiger darf es nicht kommen." Der - VP-dominierte - Gemeindebund erteilt der "Watchlist" aber eine Absage. Helmut Mödlhammer, Ortschef der 3500 Bewohner zählenden Gemeinde Hallwang bei Salzburg, hält den Gedanken für "eine Schnapsidee: Der Bürgermeister als Geheimnisträger - damit wird's nicht besser." TherapeutInnenen und Behörden könnten Beobachtungs-und Schutzfunktionen besser wahrnehmen. Kritik kam von Grünen und SPÖ, auch Österreichs Zeitungen lehnen Veröffentlichungen nach britischem Vorbild ab. "Unvereinbar mit einem Rechtsstaat", erklärt STANDARD--Chefredakteur Gerfried Sperl. Unterschiedlich reagieren dagegen einzelne BürgermeisterInnen. Johann Kindermann (VP) aus Leibnitz meint, "das Registrieren wäre genau in meinem Interesse": Solche Leute müsse man unter Kontrolle stellen. An der Effizienz der Maßnahme zweifelt er jedoch. Anton Knerzl, FP-Ortschef in Öblarn (Stmk., 1550 Einwohner), hält die Registrierung für richtig. Denn in einer kleinen Gemeinde wie seiner "gibt's eh keine Anonymität". Karl Latschenberger (VP), der Ortschef der 2000-Einwohner-Gemeinde Biberbach (NÖ), meint, "es sollte auf der Gemeinde gemeldet werden, wenn sich solche Leute niederlassen wollen". Ein Gesetzesbruch wäre verkraftbar, "schließlich ist der Schutz des Bürgers oberstes Gebot". Skeptischer ist der ÖVP-Bürgermeister von Gleisdorf, Christoph Stark: "Nicht ganz unbedenklich", der Bürgermeister habe ja keine Exekutivgewalt, "was soll er mit den Informationen anfangen?" Der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch (SP) winkt ab: "Es widerspricht dem Rechtssystem, jemanden, der seine Strafe verbüßt hat, zu diskriminieren." Auch er fragt sich, was er mit solchem Wissen machen sollte: "Ich kann den Betroffenen ja nicht selbst beobachten." (or, moe, koe) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 14./15.8. 2000)