Bild nicht mehr verfügbar.

Mit Verspätung startete das Blitzlichtgewitter im Prozess gegen Ingrid L., Mutter der verwahr- losten Kinder vom Pöstlingberg in Linz.

Foto: APA
Ist sie eine psychisch Kranke, die ihre Töchter völlig verwahrlosen ließ, oder ein Opfer widriger familiärer Umstände? Die Mutter der "Kinder vom Pöstlingberg" steht vor Gericht und kämpft gegen eine Anstalts-Einweisung.

***

Mit einem freundlichen "Grüß Gott" betritt Ingrid L. den großen Verhandlungssaal am Landesgericht Klagenfurt. Durch den offiziellen Besuchereingang, sodass die mit einem schlichten grünen Kostüm bekleidete Angeklagte in der Besuchermenge fast untergeht. Erst mit deutlicher Verspätung starten die Fotografen ihr Blitzlichtgewitter. Ingrid L., die Frau, die ihre drei Töchter über Jahre in ihrem verwahrlosten Haus in Linz abgeschottet haben soll und die seit einem Jahr vorläufig in einer Linzer Nervenklinik untergebracht ist, lächelt bereitwillig und freundlich.

Gelassen bleibt sie auch beim Eröffnungsplädoyer von Staatsanwältin Carmen Riesinger. Diese fordert als Ergebnis der auf mehrere Tage anberaumten Verhandlung (die nach Kärnten verlegt worden ist, da L.s Ex-Mann Richter in Linz ist) eine Einweisung von Frau L. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die Angeklagte habe "über Jahre systematisch jegliche Sozialkontakte ihrer drei Töchter unterbunden und medizinische, therapeutische Maßnahmen entweder grundlegend abgelehnt oder nur zum Schein angenommen", referiert die Anklägerin. Die Folge: Die Kinder wurden in ihrer Gesundheit "beträchtlich geschädigt" - mit schweren Persönlichkeitsstörungen.

Die Tathandlungen seien auf die "schwere geistige Erkrankung" der Angeklagten zurückzuführen. Ingrid L. leide, so bescheinigen es die psychiatrischen Gutachten, an "paranoider Schizophrenie verbunden mit wahnhaften Vorstellungen und einem vollständigen Realitätsverlust".

Die Berichte der Staatsanwältin über die Zustände im Haus der Familie lassen erschaudern: "Die Benutzung des Hauses war in einem hohen Maß gesundheitsgefährdend. Böden, Betten und Sitzflächen waren völlig verdreckt und vermüllt, alles mit Parasiten und Mäusen kontaminiert". Außerdem sei alles verdunkelt gewesen, nur eine Glühbirne sorgte für ein wenig Licht im Haus.

"Auch wenn die Angeklagte selbst nicht in der Lage war, die Problematik zu erkennen, wurde sie von vielen Stellen immer wieder darauf hingewiesen", erläutert Riesinger. Sie habe es aber über Jahre verstanden, Hilfe zu unterlaufen. "Es zeichnet sich daher ein Bild, dass ein Wille da war, die Kinder zu schädigen."

"Unglückliche Ehe"

Nach den Ausführungen ihres Anwalts Helmut Blum, der die Einweisung strikt ablehnt, erteilt Richterin Michaela Wietrzyk der Angeklagten selbst das Wort. Ingrid L. richtet sich ihre Frisur, ehe sie beginnt, von ihrer "unglücklichen Ehe", die 1997 geschieden worden ist, zu erzählen. Was ab 2000 passiert sei, fragt die Richterin. "Es war eine Notsituation, die wir bewältigen mussten. Die Mädchen waren so fertig, dass sie den ganzen Tag im Bett gelegen sind." Warum, hakt die Richterin nach. "Sie hatten so große Angst, dass die Familie getrennt wird. Der Vater war seelisch sehr grausam."

Ab 2005 habe sie niemanden mehr ins Haus gelassen. Kontakte nach außen hätte es kaum gegeben. Von der Schule hätte sie die Kinder aber "nie bewusst" abgehalten.

Die Schulbehörde sei "immer sehr hilfreich gewesen", die Kinder hätten diese Hilfe aber selten annehmen können, weil es ihnen "schlecht gegangen sei". Ob sie sich in der Zeit ihrer vorläufigen Anhaltung auch Gedanken über ihre Geisteskrankheit gemacht habe, will Richterin Wietrzyk wissen. "Nein. Ich nehme halt die Medikamente, weil mir gesagt wurde, die tun mir gut. Ich merke aber nichts von einer Krankheit und fühle mich auch nicht verfolgt." (Markus Rohrhofer/DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.7.2007)