Grafik: DER STANDARD

Jugendliche finden bei ihrer Sinnsuche selten Antworten in der Institution Kirche – nur ein Fünftel spricht ihr Kompetenz in moralischen Fragen zu. Religiosität ist dennoch jedem Zehnten "sehr wichtig", zwei Drittel der Jugendlichen glauben an Gott.

Wer hätte das gedacht. Religion ist Österreichs Jugendlichen wichtiger als Politik: Für elf Prozent der 14- bis 24-Jährigen, die für die Jugend-Wertestudie befragt wurden, ist sie "sehr wichtig", über Politik sagen das nur magere vier Prozent. "Die Herausforderungen durch den Islam und der Esoterik-Boom führen dazu, dass Religion verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rückt", erklärt Regina Polak vom Institut für Praktische Theologie. Gut zwei Drittel der Befragten geben an, an Gott zu glauben. Das Gottesbild ist dabei durchaus ambivalent, beschreibt Polak: "Wenn es einen Gott gibt, dann liebt er alle Menschen – so könnte man die Ergebnisse der Studie zusammenfassen."

Die Institution Kirche spielt im Leben von Jugendlichen kaum eine Rolle. Nur fünf Prozent aller Jugendlichen gehen wöchentlich zum Gottesdienst, gut zehn Prozent beten oft. Dennoch: Bei Anlässen wie Geburt, Hochzeit oder Tod wünschen sich rund zwei Drittel der jungen Menschen eine kirchliche Begleitung. Unabhängig von der Amtskirche sehen sich 34 Prozent der Befragten als religiöse Menschen. Ob Religionsgemeinschaften und Kirchen sie auch ansprechen können, "wird davon abhängen, ob es ihnen gelingt, die Lebensfragen junger Menschen zu beantworten", resümieren die Autoren der Studie, die vom Österreichischen Institut für Jugendforschung und dem Institut für Praktische Theologie durchgeführt wurde. Unterstützt wurden sie vom Jubiläumsfonds der Nationalbank und dem Wirtschaftsministerium.

"Ein Bein ist das Leben, das andere der Glaube"

Den Brückenschlag zwischen der katholischen Amtskirche und dem "realen" Leben der Jugendlichen versucht die Katholische Jugend Österreichs (KJÖ). "Uns ist es wichtig, gut geerdet zu sein. Ein Bein ist das Leben, das andere der Glaube", beschreibt KJÖ-Vorsitzender Stefan Wurm die Grundhaltung der Organisation, die österreichweit rund 150.000 Mitglieder hat.

Das Verhältnis zur Amtskirche sei "kritisch-loyal", gleichzeitig sei es die Aufgabe der KJÖ, der Kirche "ein jugendliches Gesicht zu geben", findet Wurm. Dies passiert vor allem an der Basis: "Auf Ebene der Pfarren gibt es Möglichkeiten zur Entfaltung, die Jugendliche brauchen."

Immenser Druck

Dass gelebte Religiosität auch zu gesellschaftlichem Widerstand führen kann, erleben vor allem junge Musliminnen, die ein Kopftuch tragen. Auch Gülmihri Aytac kennt diesen "immensen Druck". Sie arbeitet als Religionslehrerin an einem Wiener Gymnasium und erlebt dort, dass junge Muslime "ihre religiösen Gefühle erhalten und gleichzeitig nicht als Außenseiter gesehen werden möchten".

Unter österreichischen Muslimen erlebt Aytac eine "emanzipierte und bewusste Auseinandersetzung mit der Religion". Eine religiöse Parallelgesellschaft sieht sie in Österreich nicht: "Dafür stellt das reale Leben viel zu viele Ansprüche." Ende der Serie. (Andrea Heigl/DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.7.2007)