Insgesamt konnten 75 Prozent der Lkw-Fahrten eingespart werden. Vom strengen Bau merkt man heute jedoch nichts mehr: Thürnlhofgasse in Wien.

Foto: derStandard.at/Putschögl

2005 war der Baustart des Bauteils Ost, der kürzlich erst fertig gestellt wurde.

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Am Bauteil West der "umweltfreundlichsten Baustelle Europas" wird noch fleißig gebaut.

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Norbert Wieczorek, Prokurist des Bauträgers Wien Süd, hat Grund zur Freude. Vor zwei Wochen konnte er den strahlenden Mietern seines Bauteils des Wohnbaus in der Thürnlhofgasse die Schlüssel übergeben. Nebenbei bekamen die Mieter auch noch einen Koalabären geschenkt - als Plüschtier wohlgemerkt. Der mysteriöse Hintergrund: Bei den Eingängen zu den einzelnen Stiegen liegt ein bis vor Kurzem ungenutzter Lichthof. Harry Glück, Architekt des besagten Bauteils, wollte den hellen Raum nützen und stellte einen Eukalyptusbaum hinein. Und wo Eukalyptus wächst, darf schließlich auch ein Koalabär nicht fehlen.

479 Wohnungen im Bauteil Ost

Das Bauvorhaben Thürnlhof liegt nahe dem Zentralfriedhof in Wien Simmering. Nach einem Bauträgerwettauswahlverfahren wurden die Siegerprojekte von insgesamt acht Bauträgern ermittelt. 2005 war der Baustart des Bauteils Ost, der kürzlich erst fertig gestellt wurde. Beteiligt waren daran die Bauträger Domizil, Migra, ÖSW, Wien Süd und die Gewog. Insgesamt wurden mit dem ersten Schub 479 Wohnungen fertig gestellt. Der Bauteil West, viel später begonnen, ist heute hingegen noch Baustelle mit einigen Rohbauten und vorerst noch viel sichtbarem Beton. Mit etwas großmaßstäblicheren Projekten der Arwag, der FamilienHilfe und der Gesiba soll dieser 2008 übergeben werden.

Robert Korab, Geschäftsführer von raum & kommunikation, ist einer der Väter des Rumba-Konzepts und des Demonstrationsprojekts Thürnlhof. Das mit Geldern von EU-Life geförderte Projekt gilt als umweltfreundlichste Baustelle Europas. Der Rumba-Kriterienkatalog bestätigt sich beim ersten jemals umgesetzten Wohnbau als realistisch, zukunftsweisend und höchst effizient für Bauherren, Planer wie auch für Ausführende. Gerade Letztere hatten auf das Rumba-Bauvorhaben anfangs jedoch mit viel Misstrauen reagiert. Die Auflagen waren streng: Jede Lkw-Fahrt kostete zwischen 25 und 75 Euro. "In kürzester Zeit fuhren wesentlich weniger Lastkraftwagen, später dann nur noch voll beladen", so Wieczorek, "selbstverständlich kapierten die Bauunternehmer rasch, dass der günstigste Weg ist, die besten Lkw der Euroklasse III zum Thürnlhof zu schicken."

Angst vor Mehrkosten

Der Logistikexperte Rhenus+Röhrer kontrollierte feinsäuberlich jede Ein- und Ausfahrt und dokumentierte jeden baustellenbezogenen Kilometer. Entgeltbefreit waren lediglich die emissionsärmsten und umweltfreundlichsten Lastwagen. Wurde die festgelegte Summe der Fahrstrecken überschritten oder kamen weniger umweltfreundliche Lkw zum Einsatz, musste der Bauunternehmer oder Lieferant an den Bauträger zusätzliches Entgelt bezahlen. Rasch optimierten die Baufirmen ihre Fahrten - die Aussicht auf "Strafzahlungen" war offenbar genug Ansporn.

Lange Zeit hatte man einen gewaltigen administrativen Mehraufwand befürchtet. "Der einzige Bauträger, der sich von Anbeginn an auch inhaltlich mit den Rumba-Richtlinien auseinandersetzte, war die Wien Süd", erklärt Robert Korab, "alle anderen reagierten eher zurückhaltend." Baumeister Michael Sillipp von der Wien Süd erinnert sich: "Nichts von dem Mehraufwand hat sich bestätigt. Insgesamt gibt es vielleicht eine Baukostenerhöhung von einem Prozent." Der Vorteil in Zahlen: Beim Bauteil Ost konnten die Lkw-Fahrleistungen um 75 Prozent reduziert werden. Der CO2-Austausch konnte um rund 1000 Tonnen gesenkt werden.

Erste Bäume

Die Verwertung läuft bei fast allen Bauträgern gut. Im großzügig gestalteten Innenhof wachsen erste Bäume auf saftigem Grün. Anhand dieses Wohnprojekts sei deutlich zu sehen, wie effizient die Wiener Wohnbauförderung eingesetzt werde, erklärt Michael Ludwig, Wohnbaustadtrat von Wien. Anlässlich der Fertigstellung staunt Ludwig über die Schadstoffeinsparungen und Effizienzsteigerungen in der Baustellenlogistik.

Die Gesamtbaukosten belaufen sich auf rund 17 Millionen Euro, die Stadt Wien schoss mehr als ein Drittel der Summe an Fördermitteln zu. Doch wie geht es in Zukunft weiter? Experte Robert Korab ist davon überzeugt, dass es im großvolumigen Wohnbau Förderungen bald nur noch dann geben wird, wenn nach den Kriterien von Rumba gebaut wird. Eines steht bis dato fest: Durch die Novelle der Wiener Neubauverordnung 2007 werden umweltfreundliche Bauten künftig besser gefördert. (Gisela Gary, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.7.2007)