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Mit Hilfe von Cristina Lapis sollen die rumänischen Bären entspannt in die Zukunft blicken können.

Vorbei ist's mit dem Kindchenschema, mit der bedrohlichen Bestie sowieso. Wo Knut, das Bärchen aus dem Berliner Zoo, und Bruno der Bär weiter südlich monatelang Massen mobilisierten, wird es allmählich still. Dabei schlagen anderswo für Bären die Herzen nicht schwächer - aber in einem anderen Takt.

Was Braunbären angeht, könnte sich Rumänien einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde sichern: Etwa 3000 dieser Tiere leben in den Karpaten und am Rande des waldreichen Gebirgszugs, besagen vorsichtige Schätzungen. Gar von 7000 Bären sprechen jene, die deren Zahl dezimieren möchten. Wo immer die Wahrheit liegt: die größte Braunbärenpopulation in Europa ist es auf jeden Fall.

Für die Tiere haben manche Rumänen durchaus etwas übrig. Ihr Interesse unterscheidet sich im Grunde kaum von dem der Knut-Anhänger: Bären sind eine Attraktion. Und Attraktionen lassen sich gut verkaufen. Vor allem für finanzkräftige Ausländer gelten Ausnahmen von den ansonsten strengen Schutzbestimmungen: Der Abschuss eines Bären bringt den rumänischen Revierpächtern rund 10.000 Euro ein.

Doch sind nicht nur tote Bären gewinnträchtige Bären. Touristen kommen mit Feldstechern und Filmkameras; sie wollen nur schauen: Tierschützer und Naturfreunde, aber auch Abenteurer und Leichtsinnige. Selbst die Einheimischen sind von den Tieren entzückt - besonders von verwaisten Bärenkindern.

Wer sie fängt, hat etwas zum Vorzeigen. Sie landen als Tanzbären in Wanderzoos, in Restaurants oder auf Privatgrundstücken - in Käfigen und Verschlägen. Lebendige Ausstellungsstücke sind die Tiere immer noch, trotz aller Konventionen. Sie locken Gäste und Kunden an, sind gut fürs Ego ihrer Besitzer, gut fürs Geschäft. Viele von ihnen leben ein Leben in Qual.

Prominenten-Reservat

Für die Bärin Maia gab es keine Rettung mehr. Ihr Tod war allerdings auch der Beginn eines Projekts, das einzigartig ist in Rumänien: das erste Schutzreservat für Bären aus Gefangenschaft. Eine private Initiative mit einschlägiger prominenter Unterstützung: Brigitte Bardot und Pierre Brice übernahmen die Schirmherrschaft.

Brigitte Bardot war schon 1997 dabei, als die rumänische Initiatorin Cristina Lapis im nahe gelegenen Braºov, Kronstadt, ein Tierheim mit heute 800 Hunden gründete. Bei ihrer Arbeit stieß Cristina Lapis auch auf Maia, eine geschundene Bärin. "Ich konnte nichts mehr für sie tun", erinnert sich die 49-Jährige. Heute ist sie Präsidentin der rumänischen Tierschutzorganisation "Asociatia de protectie a animalelor - Milioane de prieteni" (Millionen von Freunden). Einer, der ihr von Anfang an zur Seite steht, ist ihr Mann Roger Lapis, französischer Honorarkonsul in Braºov.

Mit Hilfe der Welttierschutzgesellschaft "World Society for the Protection of Animals" (WSPA) errichteten Cristina und Roger Lapis Umfriedungs- und Sicherheitszäune um ein 60 Hektar großes Waldgelände bei Zarnesti und finanzierten den Bau einer Tierklinik zur Akutversorgung und Behandlung verletzter Bären. 1,5 Millionen Euro waren für den Start nötig. Grund und Boden bekamen die Tierschützer von der Stadt Zarnesti zur Verfügung gestellt, kostenlos.

Keine Privatsache

Bären privat zu halten, ist seit Langem verboten in Rumänien. "Die Gesetze lassen sich nur schwer durchsetzen", hat Cristina Lapis aber immer wieder festgestellt. Seit 2007 setzt die Leiterin des Bärenreservats auf die EU: "Endlich kann ich damit drohen, vor das Europäische Gericht zu gehen", sagt sie. Und wer den Schwung in ihrer Stimme hört, weiß, dass sie es bei einer Drohung nicht belassen wird.

19 Braunbären konnte Cristina Lapis bisher konfiszieren lassen. 50 Tiere soll das Reservat einmal aufnehmen. Unter Bäumen, in Wassertümpeln und Höhlen erleben die Bären eine nie gekannte Freiheit. Wenn sie nach einer Gewöhnungsphase aufs Gelände dürfen, "sind sie meistens so aus dem Häuschen, dass sie drei Tage nichts zu fressen brauchen." Sie stöbern im Laub nach Eicheln und Bucheckern, knabbern an Baumrinden und finden im Unterholz, was ihnen schmeckt. Dann aber fällt ihnen der Mensch wieder ein und sie streichen bettelnd am Zaun entlang und erwarten die Fütterung.

Dennoch entwickle sich in natürlicher Umgebung das angeborene Verhalten zurück, hat Cristina Lapis bemerkt. Die Bären im Reservat erobern die Bäume und hängen als dicke Pelzknäuel so hoch oben in den Kronen, als müssten sie sich selber etwas beweisen. Im Winter ziehen sie sich an ruhige Plätze zurück. "Viele haben in Gefangenschaft nie Winterruhe gehalten", weiß die Tierschützerin. Das aber ändere sich im Wald. Auf dem Schutzgelände finden die Bären auch Höhlen, und mit einem Mal kommen sie nicht zurück an den Zaun.

Empathie im Gelände

Im September 2007 soll das Bärenreservat offiziell eröffnet werden - als Schulungszentrum, "nicht als Zoo", sagt Cristina Lapis. Die Rumänin will vor allem eines: das Bewusstsein ihrer Landsleute schärfen für die Bedürfnisse von Tieren. Beobachtungsposten in lichter Höhe gewähren einen Blick ins weite Gelände. Empathie, das sollen die Besucher mitnehmen. Dazu gehört es, alle Sinne auch mit drastischen Mitteln einzubeziehen. "Ich möchte, dass Kinder nur mal fünf Minuten barfuß auf einem dieser Käfigroste stehen", sagt Cristina Lapis.

Viele der 22 Millionen Menschen in Rumänien kämpfen mit einer Vergangenheit, wo für den Tierschutz wenig Platz bleibt. Die Armut, die Nicolae Ceauºescus Größenwahn hervorgebracht hat, ist dabei nur eine Dimension. So wundert es nicht, dass Unterstützung für das Bärenprojekt ausschließlich aus dem Ausland kommt. Selbst die Praktikanten stammen aus Österreich, Deutschland, Italien oder Frankreich.

Nachts patroullieren Wachleute mit Hunden um den Bärenschutzpark; auch die Besitzer von konfiszierten Bären könnten Drohungen wahr machen. Und dann sind da natürlich die Mutproben und Streiche der Einheimischen. Natürlich soll deren Herz höher schlagen beim Anblick der wilden Tiere, ja - allerdings in einem anderen Takt. (Laelia Kaderas/Der Standard/Printausgabe/14./15.7.2007)