Eines der bewohnbaren Gartenhäuschen - die Villa Giona.

Foto: Villa Giona

Den Wein vor den Toren und im Inneren ein "grünes Theater" - der Garten von Pojega.

Foto: Az. Agr. Guerrieri Rizzardi

Fragt man Urlauber nach der Valpolicella, zucken sie entweder mit den Achseln, oder sprudeln begeistert los. Wer das Tal nördlich von Verona kennt, liebt es. In der lieblichen Hügellandschaft, die im Westen von der Etsch begrenzt wird, wachsen berühmte Weine wie der Valpolicella, der Recioto oder der Amarone. Auch der berühmte rote Veroneser Marmor wird hier abgebaut. "Natürlich hat der Gardasee seinen Reiz, aber diese Gegend hier ist wirklich wunderschön", meint die Contessa Orsola Rizzardi.

In der Gemeinde Negrar besitzt ihre Familie ein Juwel unter den Sehenswürdigkeiten der Valpolicella: den Giardino di Pojega. Wer ihn nicht sucht, wird ihn leicht übersehen, denn die italienische Ausschilderung ist spärlich und die Zufahrt unspektakulär. Einmal angekommen, ahnt man kaum, welche Ästhetik sich hinter dem einfachen Holztor verbirgt. Es ist, als trete man in eine andere Welt, in der die Poesie der Natur, Ruhe und Gelassenheit dominieren. "Je länger man durch den Garten spaziert, desto entspannter wird man und genießt das Ambiente", pflichtet Orsola Rizzardi bei, die dank mehrerer Studienaufenthalte in Deutschland und Österreich hervorragend Deutsch spricht.

Einem ihrer Vorfahren, dem Grafen Antonio Rizzardi, lag das Familienanwesen (seit 1678) mit Weinbergen und Olivenhainen in Negrar besonders am Herzen. Er kam ursprünglich aus Maderno an der westlichen Gardasee-Uferseite, wo er eine Villa mit einem bezaubernden Garten bewohnt hatte. Weil er ein ähnliches Kunstwerk auch in der Valpolicella schaffen wollte, erteilte er 1783 dem Architekten Luigi Trezza (1752-1823) den Auftrag. "Eigentlich ging er damit gegen den Zeitgeist. Die Jahre waren von Unruhen, später von der Französischen Revolution geprägt. Der Adel musste sich ducken, statt große Bauten zu kreieren", erklärt die 35-Jährige. Und so schufen er und Trezza einen der letzten italienischen Gärten – mit vielen versteckten Winkeln, Buchsbäumen, endlos in den Himmel ragenden Zypressen, Hainbuchen und Statuen von Pietro Muttoni (1749-1813).

Bäume in Vollendung

"Ich habe tiefen Respekt vor dem, was Antonio Rizzardi und Trezza geschaffen haben", so die Gräfin, "auch weil sie den Giardino nie in seiner Vollendung gesehen haben, sondern nur, als die Bäume noch klein waren. Für uns ist es eine Ehre, heute Hüter dieses Schatzes zu sein."

Vier Höhepunkte erwarten den Besucher bei seinem Spaziergang durch den 54.000 Quadratmeter großen, terrassenförmig angelegten Garten: der kleine Brunnen, das grüne Theater, der Aussichtspunkt Belvedere und der Stalaktit-Tempel. "Davon sind uns Trezzas Originalzeichnungen erhalten geblieben, die in der Stadtbibliothek von Verona aufbewahrt werden. Eine echte Rarität, denn meistens findet man nur Entwürfe von Villen aus jener Zeit. Die exakten Kopien der Zeichnungen sind im Eingangsbereich ausgehängt", erklärt Orsola Rizzardi.

Das Teatro Verde ist ein kleines Amphitheater, dessen stufenweise ansteigende Sitzreihen aus Buchsbaum sind (daher der Name "grünes Theater"). Einzigartig ist auch der Boschetto, also das Wäldchen, in dem sich ein Stilwechsel vollzieht. Man wähnt sich plötzlich in einem englischen Garten, in dem üppige Steineichen, Eiben, Ahorn und eine kleine Palmenart wachsen. Überall sind romantische Nischen mit Steinbänken, auf denen man sich ausruhen und träumen kann.

Welche Stelle im Garten die schönste ist? Diese Frage kann man unmöglich beantworten, denn alles ist zauberhaft. Ein Spaziergang durch den Giardino tut einfach der Seele gut, und man entdeckt immer wieder etwas Neues, was einem vorher noch nicht aufgefallen ist. Für Einzelbesichtungen ist der Garten nur donnerstags und Samstagnachmittag geöffnet. Die angrenzende Villa ist privat an einen spanischen Künstler vermietet. "Wir veranstalten vorwiegend gezielte Führungen mit Wein-Degustation, genauso machen wir es auch in unserem landwirtschaftlichen Betrieb in Bardolino", erläutert die Gräfin, "denn wir möchten, dass der Giardino di Pojega ein Geheimtipp bleibt."

Gartenhäuschen

Damit der Abschied von dieser grünen Oase nicht allzu schwer fällt, hilft nur eins: "Einen Garten nicht nur besuchen, sondern in ihm wohnen", weiß eine Besucherin am Ausgang. Sie hat sich in der nahen Villa Giona (16. Jh.) einquartiert, einem der prächtigsten historischen Bauten der Valpolicella. Das Hotel liegt eingebettet in einen romantischen, fünf Hektar großen Park mit Marmorstatuen aus dem 18. Jahrhundert, üppigen Pflanzen, einem kleinen See und Bänken, die zum Verweilen einladen. "Praktisch eine stilechte Fortsetzung des Gartens von Pojega", kommentiert die Besucherin. Uriger, aber nicht weniger schön ist der 14.000 m² große Garten der Bed-and-Breakfast-Pension La Magioca Relais in Negrar. Oliven- und Obstbäume sowie satte Wiesen prägen das Bild. Bei Sonnenschein genießt man das Frühstück natürlich im Freien zusammen mit dem geruhsamen Blick auf die Weiten der Valpolicella. (Beate Herberich/Der Standard/Printausgabe/14./15.7.2007)