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Der Erzbischof, Kardinal Roger M. Mahony zahlt für seine Diözese 660 Millionen US-Dollar (umgerechnet 478,85 Millionen Euro), damit die Opfer ihre Anzeigen zurückziehen

Foto: AP/ STEFANO PALTERA
Mit der Rekordsumme von 660 Millionen Dollar will die Erzdiözese Los Angeles Prozesse um sexuellen Missbrauch durch Kirchenangehörige verhindern - Von Michael Möseneder

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Los Angeles - Am Montag hätte Steven Sanchez, ein 47-jähriger Finanzberater als Zeuge vor Gericht treten sollen. Und darüber berichten, wie er als neun oder zehn Jahre alter Bub von einem Angehörigen der römisch-katholischen Kirche in Los Angeles missbraucht worden ist. Als einer von mehr als 500 Klägern, die einen Prozess gegen die Erzdiözese der kalifornischen Stadt angestrengt haben. Sanchez dürfte den Wochenbeginn nun nicht im Verhandlungssaal erleben - und das deutlich reicher: Die Kirche und die Rechtsanwälte scheinen sich auf einen Rekordvergleich geeinigt zu haben, berichtet die New York Times.

660 Millionen für Diözese Los Angeles

660 Millionen US-Dollar (umgerechnet 478,85 Millionen Euro) zahlt der Erzbischof, Kardinal Roger M. Mahony, für seine Diözese, im Gegenzug wird die Klage zurückgezogen. In einer Pressekonferenz werde die Einigung bekannt gegeben, kündigten die Rechtsvertreter der mutmaßlichen Missbrauchsopfer an. Aufseiten der Kirche wollte man die Übereinkunft zunächst nicht bestätigen.

85 Millionen für 552 Betroffene in Boston

Seit der Skandal um kinderschändende katholische Kirchenmänner im Jahr 2002 in Boston bekannt geworden ist, gab es schon eine Reihe von ähnlichen Abkommen mit Opfern. Die in Los Angeles ausgehandelte Summe würde allerdings alles Bisherige in den Schatten stellen: die Erzdiözese Boston zahlte für 552 Betroffene "nur" 85 Millionen Dollar.

Vatikans zahlt nicht - Gemeinden müssen selber aufkommen

Insgesamt musste die katholische Kirche in den USA in den vergangenen fünf Jahren über 1,5 Milliarden Dollar aufbringen, berechnete die New York Times. Das Problem dabei: Vonseiten des Vatikans gibt es keinerlei Hilfe, jeder Kirchenbezirk muss selbst für die Entschädigung aufkommen. Die Folge ist, dass sich bereits fünf Diözesen unter Gläubigerschutz stellen ließen: San Diego, Davenport im Bundesstaat Iowa, Portland in Oregon, Spokane in Washington und Tucson in Arizona.

Immobilien-Notverkäufe

In der Filmmetropole Los Angeles droht noch kein kirchlicher Konkurs, allerdings Notverkäufe von Immobilien. Um Geld für einen Vergleich zusammenzubekommen, müssten neben dem großen Verwaltungsgebäude am Wilshire Boulevard rund 50 andere Gebäude, die nicht von Pfarren oder Schulen genützt werden, auf den Markt geworfen werden, kündigte Erzbischof Mahony schon im Mai an.

Im Fokus der Aufmerksamkeit

Der 71-jährige Kardinal war im Zuge der Ermittlungen rund um den Skandal selbst in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Am Montag hätte er als Zeuge vor Gericht aussagen sollen. Und dabei preisgeben, was die Kirche über die angeblich zwei Jahrzehnte des Kindermissbrauchs durch einen 1987 verstorbenen Priester gewusst hat. Ein Auftritt, den Steven Sanchez zu gerne erlebt hätte, wie er zur New York Times sagte, bevor die außergerichtliche Einigung durchgesickert ist.