Nairobi - Von Juli bis August werden in Kenia jedes Jahr traditionelle Beschneidung an Jungen durchgeführt. Neben der Infektionsgefahr passieren dabei auch fatale, sogar letale Abrutscher. AufklärerInnen bemühen sich darum, die Beschneidung künftig auch in sauberen Kliniken salonfähiger zu machen. Initiationsritus zum Erwachsenwerden Es geschieht vor Sonnenaufgang. Dann nämlich, wenn der Morgen noch kalt und der Körper nicht allzu gut durchblutet ist. Zehntausende Buben treten ohne eine Betäubung vor ihre Stammesältesten, um den entscheidenden Schnitt zu erhalten, ihre Eintrittskarte in die Erwachsenenwelt. Die Beschneidung ist im ostafrikanischen Kenia weit verbreitet, ihre Riten unterscheiden sich von Stamm zu Stamm. Während einige Unterstämme die Buben während der Beschneidungszeit in eigens errichtete Hütten im Wald verbannen, machen andere, wie der Luhya- Subclan der Bukusu, aus dem Akt ein öffentliches Spektakel. Ein Messer für 100 "Der Schnitt ist für die Buben das Signal, sexuell aktiv zu werden", sagt Dr. George Mathafu. Er, der selbst ein Luhya ist, hat sich mit seinem "Bungoma Healthcare Project" die bessere Aufklärung in seiner Heimatregion zum Ziel gesetzt. "Wie wollen das Risiko der bisher zahlreichen Unfälle, schlimmen Infektionen, vor allem aber der Verbreitung von HIV senken helfen", erklärt er. "In der Regel werden in einem Beschneidungslager 100 und mehr Burschen mit demselben Messer beschnitten", weiß der Arzt. "Sexueller Amoklauf" Jeder beschnittene Bub lerne, was er nach der Heilung zu tun hat: "Sich auf die nächste willige Frau stürzen und erste Erfahrungen sammeln", so Mathafu. Und diese Frau sei meist eine Prostituierte. "Wenn man davon ausgeht, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit das Aids-Virus weitergibt, dann kann ich bei rund 10.000 jährlich beschnittener Luhya-Buben schätzen: Die Hälfte von ihnen werden sich anstecken, dann irgendwann heiraten und das Virus an die Ehefrauen weitergeben." Mathafus Team geht es vor allem darum, "den sexuellen Amoklauf nach der Beschneidung aus den Köpfen der Burschen zu bekommen." Und das können ihnen nur die Stammesältesten beibringen." An sie richtet sich das Projekt daher. Von den Devisen "pro Kind ein Messer" und "Antibiotika zur Nachsorge" verspricht sich der Mediziner eine Senkung des Infektionsrisikos. Wenn er dann genug Statistiken über die Effektivität dieser Praxis gesammelt habe, könne er die Betroffenen vielleicht dazu bewegen, den wirklich entscheidenden Schritt zu tun: "Langsam, ganz langsam können wir dann den Vorstoß wagen, die Eltern dazu zu überreden, ihre Söhne in sauberen Kliniken statt von einem traditionellen Heiler beschneiden zu lassen und das Ritual dann anschließend zu Hause zu feiern." Kein "Richtiger" Mann Ein sensibles Feld, weiß Mathafu. Denn obwohl es immer mehr dieser Eltern gibt, ist das Ausscheren aus den jahrhunderte alten Traditionen noch immer verpönt. "Wer im Krankenhaus beschnitten wurde, ist kein richtiger Mann", heißt es dann. Und Mathafu weiß: "Bis wir hier soweit sind, das zu revidieren, werden noch mindestens fünf Jahre ins Land gehen - und bis dahin werden noch zahlreiche falsche Schnitte gesetzt." (dpa)