Figurentheater mit Klangavantgarde: Christopher Widauer, Wolfgang Mitterer (re.) und Puppe "Onkel".

Foto: Kabinetttheater
Es handelt sich hier um ein Theater, dessen Abende mitunter bis zu 180 Prozent ausverkauft sind – Sie haben richtig gelesen. Die Aufführungen des Kabinetttheaters, vor 18 Jahren aus dem Esprit der Avantgardeszene rund um das Forum Stadtpark und die Wiener Gruppe in Graz hervorgegangen, sind international gut beleumundete und vor Ort jeweils heiß begehrte Unikate.

Die Gründung des Theaters zu Weihnachten 1989 in mehr oder weniger privatem Kreis ist längst Legende. Und was für ein Glück, dass sich unter den allerersten Fans auch Kapazunder wie Gerhard Rühm, H.C.Artmann oder Wolfgang Bauer befunden haben, die in der Folge fallweise für das Kabinetttheater schrieben.

Julia Reichert und Christopher Widauer, das Gründungsduo des heute in der Wiener Porzellangasse angesiedelten Figurentheaters, seit 2004 auch Nestroy-Preis-gekrönt, hat von Anfang an die Vernetzung von Kunstsparten betrieben. Text, Musik, das Bildnerische der Ausstattung und der Puppen sind in den sich zusehends von Minidramenformaten hin zu größeren Stücken (zuletzt: Für Elise. Dialog für 1 Stimme) ausdehnenden Arbeiten gleichberechtigt platzierte Elemente.

Die furzenden Kamele aus Hugo Balls Krippenspiel kennt zwischen Bregenz und Odessa mittlerweile fast jeder. Und ebenso die gelben Gummihandschuhe, die in Konrad Bayers Anna und Rosa, an die Wäscheleine geklemmt, das Kurzgehalten- und -angebundensein der aus ihnen sprechenden Hausfrauen versinnbildlichen. Cancan-Tänzerinnen reckten in Gute Götter – So ein Theater! jeweils den kecken Puppenpo, und in Kurt Schwitters’ Ursonate stimmt sogar eine Hilti-Bohrmaschine mit ein.

Objekt- und Musiktheater gehen hier ineinander über, die Sparten verwachsen – ein Wesenszug der Kabinettler, die zwei der renommiertesten Komponierenden des Landes als ihnen treu Verbundene bezeichnen können: Olga Neuwirth und Wolfgang Mitterer. Letzterer steht beim nun ersten [cross+depot]-Gastspiel Nachtflug mit Puppen auch an nämlicher Hilti und am präparierten Klavier.

Der sechsteilige, "tongewaltige" Nachtflug -Abend beinhaltet Theaterminiaturen von Ernst Jandl bis Daniil Charms. Zwecks Perspektivwechseln wird beim einstündigen Abend auch gewandert. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 17.07.2007)