Hannover - Die VW-Affäre um Lustreisen auf Firmenkosten hat einen weiteren Rücktritt verursacht: VW-Aufsichtsratsmitglied Günter Lenz, zugleich Betriebsratschef von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover, legte am Dienstag wegen seiner Verwicklung in die Affäre seine Ämter bei dem Autobauer nieder. Mitte Juni war er bereits als niedersächsischer SPD-Landtagsabgeordneter zurückgetreten.

Der Betriebsrat von Volkswagen Nutzfahrzeuge teilte nach einer Betriebsversammlung in Hannover mit, Lenz habe erklärt, in der Affäre einen Strafbefehl zu akzeptieren. Die Rücktritte seien die Konsequenz. Dies kommt einem Schuldeingeständnis gleich. Bisher hatte der 47-Jährige Vorwürfe, an Lustreisen auf VW-Kosten teilgenommen zu haben, stets bestritten.

Im Zuge der VW-Affäre waren bereits unter anderem der frühere VW-Gesamtbetriebsratschef Klaus Volkert, Ex-Arbeitsdirektor Peter Hartz und der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Uhl zurückgetreten.

Beihilfe zur Untreue

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft Lenz in zwei Fällen Beihilfe zur Untreue vor. Er soll 2001 und 2002 an Lustreisen auf VW- Kosten teilgenommen haben. Dabei sei ein finanzieller Schaden von insgesamt 600 Euro entstanden. "Damit hat er sich eines Vergehens schuldig gemacht", erklärte der Betriebsrat von VW Nutzfahrzeuge. Lenz habe sich vor allem nach "intensiver Beratung" mit seiner Familie entschlossen, einen Strafbefehl zu akzeptieren.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, das Ermittlungsverfahren gegen Lenz sei noch nicht abgeschlossen. Es gebe auch noch keinen Strafbefehl - die Möglichkeit bestehe aber und sei bei Verfahren mit überschaubarer Strafhöhe gängige Praxis. Als Voraussetzung verlange die Justiz aber, dass der Strafbefehl von Lenz anerkannt werde. Dies beinhalte auch den Verzicht auf eine Berufung. Zu einem Prozess käme es in diesem Fall nicht.

Nach dessen Erklärung habe es für Lenz auf der Betriebsversammlung von VW Nutzfahrzeuge (VWN) Ovationen und viel Beifall gegeben, hieß es von Teilnehmern. Unter den Beschäftigten sei es zu Solidaritätsbekundungen für Lenz gekommen. Dieser war seit 1998 Betriebsratsvorsitzender bei VW Nutzfahrzeuge, seit 1999 saß er im Aufsichtsrat der Volkswagen AG.

Nachfolger muss noch gewählt werden

Der Nachfolger von Lenz an der Spitze des VWN-Betriebsrates muss noch gewählt werden. Kommissarisch führt das Gremium der stellvertretende Vorsitzende, Heinrich Söfjer. Auch die Nachfolge von Lenz im VW-Aufsichtsrat ist noch ungeklärt.

Der VW-Konzernbetriebsrat teilte mit, der Standort Hannover werde auch künftig im Aufsichtsrat vertreten sein. Die personelle Entscheidung müssten die zuständigen Gremien in Hannover fällen. Lenz habe mit seinem Rücktritt Schaden von VW abgewendet.

Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Christian Wulff (CDU) bezeichnete das Verhalten von Lenz als "ungeheuerlichen Vorgang". Er warf ihm eine "fortwährende Täuschung" vor. Lenz und auch Andere, die in die VW-Affäre verwickelt seien, hätten "immer erst alles eingeräumt, wenn es nicht mehr zu bestreiten war". Die Justiz sei über Jahre missbraucht worden. Ein VW-Sprecher sagte, wenn das laufende Verfahren abgeschlossen sei, werde Volkswagen prüfen, welche Schritte sich daraus für das Unternehmen ergeben.

Bereits vor einem Monat hatte Lenz unter dem Druck der niedersächsischen SPD-Spitze sein Landtagsmandat abgegeben. Damals hatte er erklärt, seine Ämter als VWN-Betriebsratschef und VW-Aufsichtsratsmitglied bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ruhen zu lassen.

In der Affäre waren bereits VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz und der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl verurteilt worden. Uhl erhielt eine Geldstrafe von 39.200 Euro, Hartz eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von rund 576.000 Euro. (APA)