Bild nicht mehr verfügbar.

Ob Stürme, Gewitter oder Hochwasser: Mit neuen Technologien sollen Naturgefahren leichter vorhersehbar werden.

Foto: REUTERS/Gene Blevins
Seit 1980 starben weltweit rund 1,5 Millionen Menschen an Naturereignissen. Die volkswirtschaftlichen Schäden betrugen allein im Katastrophenjahr 2005, so das Versicherungsunternehmen Münchner Rück, 219 Milliarden US-Dollar. Damit war 2005 das teuerste Naturkatastrophenjahr aller Zeiten. Global gesehen sind Überschwemmungen vor Unwettern und Erdbeben die häufigsten Naturkatastrophen. In den Alpenländern führt Hochwasser die Liste an, dann folgen Sturm und Lawinen. Die weltweite Veränderung des Klimas erhöht das regionale und lokale Katastrophenrisiko zusätzlich. Natur- und Versicherungswissenschafter sind sich einig: Es ist nicht länger ausreichend, nur die Gefahrenpotenziale zu erkennen und in Zonenplänen festzuschreiben, auch das Risiko, das Schadensausmaß muss bewusst werden.

Sensibler Alpenraum

Der Alpenraum reagiert besonders sensibel auf klimatische Veränderungen. In den Alpen stieg die Temperatur in den letzten 150 Jahren um rund zwei Grad. Mit dem Klima ändern sich auch Kultur- und Wirtschaftsräume. Eric Veulliet, Geschäftsführer von alpS Zentrum für Naturgefahren Management im Innsbrucker Competence Center, einem Mitglied des Verbands der Technologiezentren Österreichs (VTÖ): "Klimaerwärmung ist kein Risiko in dem Sinn, sondern eine Prozessverstärkung. Globale Veränderungen führen zu regionalen und lokalen Folgen."

Sind sich die Menschen der Gefahren bewusst? Veulliet: "Bei der Bevölkerung ist Unsicherheit vorhanden, weil sie durch widersprechende Aussagen über den Klimawandel verwirrt wird." Diese Unsicherheit herrsche in der Wissenschaft nicht, sagt Veulliet: "Es gibt keine Wissenschafter, die bezweifeln, dass der Klimawandel kommt."

Veulliet zum Argument, Klimawandel habe es auch früher schon gegeben: "Was es vor Millionen von Jahren gegeben hat, hat mit uns nichts zu tun. Es gab keine Menschen und keine Werte. Risiko entsteht ja erst, wenn der Mensch da ist."

Das herausragende Problem des Alpenraumes sei die dichte Besiedelung, die enge Verzahnung von Kultur und Natur. "Mensch und Werte treffen auf Natur, das gab es vor Millionen von Jahren nicht", sagt Veulliet. Je dichter die Besiedlung, umso größer werde das Risiko.

Eine der Strategien, Naturgefahren zu begegnen, ist das Risikomanagement. Ähnlich dem "risk management" im Bankenbereich geht es dabei um planbaren Umgang mit Risiken. Das Innsbrucker Ingenieurbüro für Naturmanagement INN hat sich auf Risikoanalyse und -management spezialisiert. Geschäftsführer Peter Sönser: "Beim Risikomanagement geht es nicht darum, Prozesse zu verhindern, sondern geschickt mit Naturgefahrenprozessen umzugehen." In einem interdisziplinären Team werden gemeinsam mit den Auftraggebern Risiken analysiert und bewertet. Dabei sind Erfahrungen aus Naturereignissen wesentlich. Egal ob Hochwasser, Hangrutschung, Felssturz – durch genaue Betrachtung von Katastrophe und Abwicklung können Entscheidungsgrundlagen für künftige Ereignisse abgeleitet werden.

Die Aktivitäten von Instituten und Kompetenzzentren sind vielseitig. So entwickelte alpS ein Risikomanagement-Tool für politisch Verantwortliche. Das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) erarbeitete ein Modell zur Risiko- und Kostenoptimierung beim Lawinenschutz von Verkehrsachsen. Teure Infrastruktur, wie die Arlberg- oder Außerfernbahn sind auch in Österreich Gegenstand von Studien. Lawinenstriche an beiden Bahnen werden zurzeit vom Institut für Naturgefahren und Waldgrenzregionen (BFW) auf ihr Gefahrenpotenzial hin untersucht.

Entscheidungshilfen

Lawinendynamische Modelle sind dabei Stand der Technik. Ziel ist, den Bahnbetreibern Entscheidungshilfen für künftige Maßnahmen zu bieten. Das Risikomanagement soll helfen, machbare und finanzierbare Lösungen zu finden. Dazu wird jede einzelne Schutzmaßnahmen genau unter die Lupe genommen, Risikoreduktion und Kosten jeder einzelnen Maßnahme werden geprüft. So hat das Institut für Naturgefahren und Waldgrenzregionen in einer Studie für das Innere Pitztal herausgefunden, dass die Errichtung permanenter Verbauungen für den gesamten Gefahrenbereich in diesem Tal nicht realisierbar sind. Das Ziel von Risikomanagement ist, so der Jurist Peter Sönser, "das Gesamtrisiko durch vorausschauende Planung zu verringern und dabei möglichst geringe Mittel einzusetzen".

Von 15. bis 17. Oktober tagen Expertinnen und Experten zum Thema "Managing Alpine Future" in Innsbruck. Ziel ist die Entwicklung neuer Strategien und Technologien im Umgang mit Naturgefahren. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. Juli 2007)