In den EU-27 verdienen Frauen im Durchschnitt 15 Prozent weniger als Männer. Die Schere hat sich im Vergleich zum Jahr 1995 nur um zwei Prozent verringert, was den geringen Erfolg der bisherigen Maßnahmen zeigt. Grundlage für die Berechnung war der durchschnittliche Brutto-Stunden-Lohn von Männern und Frauen in der EU.
Notfalls per Gesetz
Die EU-Kommission hat als Konsequenz angekündigt, die Einkommenschere notfalls per Gesetz zu schließen. EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla betonte, es sei "einfach nicht akzeptabel", dass trotz einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1957 Frauen nach wie vor im Schnitt pro Arbeitsstunde um füngzehn Prozent weniger verdienten als Männer und es keine Anzeichen für Verbesserung gebe. Die Brüsseler Behörde will bis nächstes Jahr über mögliche neue EU-Gesetzesvorschläge entscheiden. Unter anderem soll geprüft werden, ob Frauen, die in Karenz gehen, durch bestimmte Gehaltssysteme diskriminiert werden.
Frage der Väterkarenz
Die Kommission führe bereits Gespräche mit den Sozialpartnern, was ein "Vorbote" für einen möglichen Legislativvorschlag der der Kommission sei, so Spidla weiter. Thema sei unter anderem die Frage der Väterkarenz. "Die meisten Gehaltssysteme bevorzugen die Laufbahn von Männern", kritisierte der Kommissar. Es sei nicht einzusehen, dass eine Frau, die mit 25 Jahren ein Jahr für die Kinderbetreuung zu Hause bleibe, darunter gehaltsmäßig ein Leben lang zu leiden habe. Zwei bis drei Jahre nach Wiedereinstieg in den Beruf müssten die Versäumnisse aufgeholt sein.
Weit weg von Halbe-Halbe
Laut EU-Kommission wächst die Einkommensschere drastisch von sieben Prozent bei den unter 30-jährigen auf 21 Prozent bei den 30- bis 40-jährigen und auf 33 Prozent bei den über 50-jährigen. Sektoren, in denen Frauen verstärkt tätig sind, verzeichnen durch die Karenz-Unterbrechungen niedrigere Durchschnittslöhne. Schuld an der Situation ist laut dem Sozialkommissar die geringe Beteiligung der Männer an der Arbeit im Haushalt und in der Kinderbetreuung. Die unbezahlte Arbeit der Männer betrage immer noch nur sieben Stunden pro Woche, verglichen mit 35 Stunden bei den Frauen.
Ungerechtigkeit nicht "erklärbar"
Spidla betonte, dass unterschiedliche Entlohnung bei quasi gleicher Ausbildung in gleichwertigen Jobs durch die EU-Gesetze mittlerweile fast beseitigt worden sei. Eine indirekte Diskriminierung sei aber nach wie vor vorhanden. Es sei nicht erklärbar, warum eine Krankenschwester weniger verdiene als ein Polizist oder eine Kassiererin weniger als ihr männlicher Kollege, der im Supermarkt Regale einräumt. Auch gebe es zu wenig weibliche Führungskräfte, gemessen an der Tatsache, dass 60 Prozent der UniversitätsabsolventInnen mittlerweile Frauen seien.
Länder-Unterschiede
Zwischen den Mitgliedstaaten gibt es beim Lohngefälle große Unterschiede: Auf der Insel Malta verdienen Frauen nur um vier Prozent weniger als Männer. Allerdings sind dort nur wenig Frauen beschäftigt und meist in wenig qualifizierten Berufen. Ähnlich ist die Situation in Polen, Gleichenland und Italien. Einkommensdifferenzen bis zu 25 Prozent etwa in Estland, Zypern, der Slowakei oder auch Finnland führt die Kommission auf die starke Segmentation der Arbeitsmärkte zurück. In Österreich verdienen Frauen um 18 Prozent weniger als Männer, was die EU-Kommission ähnlich wie in den Niederlanden und Deutschland auf den hohen Anteil von Teilzeitjobs zurückführt. Nach Sektoren besteht die größte Einkommenskluft im Finanzsektor und in der Industrie, die geringsten im öffentlichen Dienst, aber auch im Baugewerbe, wo Frauen nur in der Verwaltung arbeiten.
Schweden wieder Vorbild