Beim Finanzausgleich soll der Kompetenzdschungel zwischen Bund und Ländern gerodet werden. Die Erfolgschancen sind beschränkt.
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Wien - Alfred Reiter ist ein freundlicher Herr. Höflich, nett und mit einer abwechslungsreichen beruflichen Vergangenheit versehen (er war einst Kabinettchef von Bruno Kreisky, zuletzt Vorstandsvorsitzender der Investkredit), ruht Herr Reiter in sich. Wirft man ihm freilich ein besonderes Reizwort hin, redet sich Reiter in Rage: Das ständige Hinausschieben der "Bundesstaatsreform" bringt sein Blut in Wallung. Jahr für Jahr würden Defizite "gebaut", etwa bei den Gebietskrankenkassen, der Steuerzahler müsse dafür aufkommen, habe aber nichts zu sagen. Reiter: "Das ist ein wirtschaftliches Katastrophenprinzip."

Der pensionierte Banker ist nicht allein mit seiner Meinung. OECD, Staatsschulden-Ausschuss, Wirtschaftsforscher: Immer wieder werden die Doppelgleisigkeiten in Österreichs Verwaltung, eine Begleiterscheinung des Föderalismus, kritisiert. Ob Schulwesen, Spitälerverwaltung, Krankenkassen, Sozialhilfe, Wohnbauförderung oder Gesetzgebung: Alles gibt es neun Mal und sogar noch mehr - etwa die Gebietskrankenkassen, die sich dann noch einmal, pro Bundesland, auf Berufsgruppen verteilen.

Billig ist das nicht, und immer wieder hagelt es Kritik, dass hier Steuergelder verschwendet würden - zuletzt etwa vom Vorsitzenden des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, zudem auch Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS).

"Sickerprozess"

Felderer kritisiert die mangelnde Effizienz der öffentlichen Verwaltung, besonders in den Ländern: Zu viel Geld "versickere" in den Ländern, kritisierte er. Weil Landesregierungen beispielsweise "näher am Bürger" seien, falle es ihnen umso schwerer, die notwendige Schließung einzelner Krankenhausabteilungen auch wirklich durchzusetzen. Ebenso schwierig könnte sich die Abschaffung der Landesschulräte gestalten - auch das eine beliebte "Versorgungsposten"-Spielwiese für die Länder-Granden.

In Österreich beträgt die Verwaltungsbelastung 4,6 Prozent des BiP. Zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt an Verwaltungskosten beträgt 3,5 Prozent des BiP. Nur in Griechenland, Polen und Ungarn kostet die Verwaltung mehr als in Österreich. Die Ungarn freilich haben das Problem - unter dem Druck der angestrebten Euro-Einführung - schon erkannt: Mit einem ehrgeizigen Sparpaket hat der sozialistische Premierminister Ferenc Gyurcsany allein im Vorjahr 12.000 der 300.000 Beamten aus dem Staatsdienst entlassen und 250, der Regierung unterstehende, Ämter geschlossen.

Es wäre nicht korrekt, zu behaupten, dass in Österreich auf diesem Sektor gar nichts passiert wäre. Der Bund hat seine "Hausaufgaben" zum Teil schon angepackt: Von der Pensionsreform im öffentlichen Dienst bis hin zum Abbau von Stellen wurde einiges in die Wege geleitet.

Automatismus

In den Länder-Verwaltungen dagegen, moniert Felderer im Gespräch mit dem Standard, "ist man die Pensionsreform nicht ganz so engagiert angegangen". Dazu kommt noch, dass die Besoldungsschemata länderweise unterschiedlich geregelt sind. Ähnlich sieht es beim Stellenabbau aus: Gerüchteweise gibt es allein in Wien mehr Obersenatsräte als im Bund Sektionschefs. Jedenfalls verdienen Österreichs 273.000 Beamte im Jahresdurchschnitt fast doppelt so viel wie Arbeiter in der Privatwirtschaft.

Um den "Automatismus, dass die einen einnehmen und die anderen ausgeben", zu durchbrechen, schlug Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer kürzlich im Klub der Wirtschaftspublizisten vor, den Ländern Steuerautonomie zu geben. Allerdings: Bisher sei die Bereitschaft der Länder, mehr finanzielle Verantwortung zu übernehmen, "enden wollend".

Der Großteil der Steuern wird derzeit vom Bund eingenommen, der Anteil der Länder und Gemeinden an Einnahmen liegt momentan bei nur fünf Prozent - der Anteil an den Ausgaben aber bei 30 Prozent. Was läge also näher, als den Ländern diesbezüglich mehr Autonomie einzuräumen? Für Felderer eine klare Sache: Das wäre gut, denn: "Dann stünden bei Landtagswahlen plötzlich brisante Themen an - wollen die Leute mehr Wohnbauförderung und dafür höhere Steuern zahlen?"

Peter Bußjäger, Leiter des "Instituts für Föderalismus" in Innsbruck, hat selbst bereits Steuerautonomie für die Länder gefordert. Freilich nach dem "Schweizer Vorbild", wo vor allem die Massensteuern (wie etwa die Einkommensteuer) von den Kantonen eingehoben werden. Bußjäger: "Molterer hat den Ländern nur Bagatellsteuern wie die Grundsteuer angeboten. Kein Wunder, dass sie abgelehnt haben." Das mit den Einsparungspotentialen sieht Bußjäger differenziert: Im Gesundheitsbereich sei "schon etwas drinnen", im Schulbereich nicht, meint der Föderalismusexperte: "Ich warne vor einer Ausdünnung der ländlichen Gebiete.

Für Bußjäger gibt es auch keinen Zweifel, dass Österreich neun Länder mit neun Länderparlamenten und neun Länderverwaltungen braucht: "Die Abschaffung von Bundesländern wäre schon historisch betrachtet unsinnig." Ein Fast-Länderfürst sah das einst ganz anders: Gerhard Hirschmann, einst ÖVP-Landesrat in der Steiermark, wollte einmal Bundesländer zusammenlegen und die Landtage als "Gesetzesmaschinerien" abschaffen. Sein Vorschlag: Länder sollten sich auf informeller Ebene grenzüberschreitend zusammenschließen. "Laibach ist für uns wichtiger als Salzburg." Zuletzt durfte Hirschmann das im "Österreich-Konvent" vorbringen - dessen Ergebnisse dann kurzerhand schubladiert wurden. (Petra Stuiber/DER STANDARD, Printausgabe, 18.7.2007)