Der Aufschrei der Mütter lässt auch ÖVP-Politiker nicht kalt. Es ist nicht zufällig eine Frau, die aus der bisherigen Linie der Partei ausschert: Gertrude Brinek, die Vorsitzende des ÖAAB, befürwortet eine Amnestie für all jene, die in den vergangenen Jahren die Zuverdienstgrenze überschritten und deshalb zu Unrecht Kindergeld bezogen haben, wie sich bei kurzfristig angeordneten Überprüfungen für das Jahr 2002 gezeigt hat.

Den Betroffenen - und es sind nun einmal vor allem Frauen - ist anzurechnen, dass sie in gutem Glauben gehandelt haben: Der damals zuständige Sozialminister Herbert Haupt (FPÖ) hat die Regelung eingeführt und versichert: Die Einhaltung wird nicht kontrolliert. 2004 hat Haupt per Weisung verfügt, dass beim Kindergeld die Überprüfung der Zuverdienste sowie die Rückforderungen einzustellen sind.

Der damalige Koalitionspartner ÖVP hat zu dieser Zeit dazu geschwiegen und schwingt sich nun in neuer Regierungskonstellation in Gestalt der Familienministerin Andrea Kdolsky auf, auf Rückzahlung des unrechtmäßig kassierten Kindergeldes zu pochen.

Rein rechtlich hat Kdolsky recht, rein praktisch Brinek. Und zwischen allen Stühlen setzt sich - wieder einmal - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) mit seinem Vorschlag, die Kindergeldrückforderung bis Herbst zu stoppen. Dieser Vorschlag schafft ebenso wenig (Rechts-)Sicherheit bei den Betroffenen wie die verbale Versicherung von Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP), dass man "Milde walten lassen wird". Letzteres ist nur die Fortsetzung des Hauptkurses.

Faktum ist, dass dieses Gesetz in dieser Form nie beschlossen hätte werden sollen, und hunderte Frauen mit ernsthaften finanziellen Problemen konfrontiert sind, wenn man die Umsetzung jetzt nicht nur kontrolliert, sondern auch exekutiert.

Da dieser "Murks", wie diese Regelung Frauenministerin Doris Bures und Verfassungsrechtler Heinz Mayer richtigerweise bezeichnet haben, nun einmal die Ausgangslage ist, müssen sich die Politiker damit auseinandersetzen und rasch entscheiden, denn sonst wird die Unsicherheit der Betroffenen nur prolongiert. Schon machen Schauergeschichten von Frauen die Runde, die sich jetzt aus finanziellen Gründen nicht mehr auf Urlaub fahren trauen oder bei ihrer Bank schon um einen Kredit zur Rückzahlung angefragt haben.

Die einfachste Lösung wäre sicherlich eine Amnestie. Damit wäre allerdings wieder einmal bestätigt, dass der Ehrliche der Dumme ist. Das ist rechtlich nicht unproblematisch, aber nach Einschätzungen von Juristen ein vertretbarer Weg. Für alle Beteiligten ist das die pragmatischste Lösung, zumal es nicht um exorbitante Summen für den öffentlichen Haushalt geht. Für Einzelne kann es im Extremfall aber um sehr viel Geld und sogar um die Existenz gehen.

Notwendig sind jetzt auch Regelungen für die Zukunft, die praktikabel und auch kontrollierbar sind. Aus dem Grund ist die Anhebung der Zuverdienstgrenze nicht der beste Weg, sondern vielmehr sollte die Zuverdienstgrenze ganz fallen. Die Einkommenseinschränkung behindert vor allem junge Frauen, die in der Regel gut ausgebildet sind und gut verdienen. Sie tun sich mit der Entscheidung, ob sie ein Kind bekommen sollen, doppelt schwer, wenn sie nicht nur karrieremäßig durch eine Babypause Nachteile befürchten, sondern auch einkommensmäßig kürzertreten müssen. Und dann fällt auch ein Argument weg, warum nicht auch Väter in Karenz gehen können.

In der jetzigen Form ist die Kindergeldregelung eine Bleib-zu-Haus-Prämie, die vor allem jungen Frauen keinen Anreiz bietet, überhaupt den Versuch zu wagen, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Die rot-schwarze Regierung kann nun die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Dazu gehört auch die Benachteiligung Alleinerziehender, die die längere Bezugsdauer in Ermangelung eines Partners nicht in Anspruch nehmen können. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 18.7.2007)