"Meiner Großmutter würde ich jetzt noch nicht zu Linux raten", sagt David Sifry. Ob es mal dazu kommen wird? "Ja", antwortet der Entwicklungschef der amerikanischen Linuxberatungsfirma Linuxcare, "sogar schon sehr bald." Seinen Optimismus zieht Sifry aus der Vielfalt neuer Produkte und Projekte, wie sie in dieser Woche auf der dritten LinuxWorld gezeigt werden. Betriebssystem mit strategischer Bedeutung Die Konferenz und Ausstellung in der kalifornischen Stadt San Jose zeigen, dass Linux vor allem bei der ganz großen und bei der ganz kleinen Technik im Kommen ist. Bei Servern im Internet wie im Unternehmen macht das freie Betriebssystem, 1991 von dem Finnen Linus Torvalds auf den Weg gebracht, dem kommerziellen Windows-System das Leben schwer. Im Wettbewerb um die besten Marktanteile bei High-End-Servern bezeichnen inzwischen fast alle großen Hersteller wie IBM, Hewlett-Packard und Dell Linux als ein "Betriebssystem mit strategischer Bedeutung". Am anderen Ende des IT-Spektrums aber hält Linux auch zunehmend Einzug bei den ganz kleinen Clients, den Endgeräten für den mobilen Zugang zum Computernetz. Auf der LinuxWorld kann Linux im Organizer ebenso bestaunt werden wie Linux in der Armbanduhr oder in der Spielkonsole. Smart Die "Smart Watch" von IBM tauscht Daten drahtlos mit dem PC, dem Mobiltelefon und anderen Geräten aus. Ihr speziell angepasstes Linux-System mit dem Kernel 2.2 kann Kurznachrichten empfangen und E-Mails anzeigen. Bedient wird die mit einem starken Prozessor und 16 MB Speicher ausgestattete Uhr über das berührungsempfindliche Display und ein Drehrad an der Seite. Dank des frei zugänglichen Programmcodes könnten Studenten, Wissenschaftler und Software-Firmen zusätzliche Features für die intelligente Uhr entwickeln, erklärt IBM. Das erst im Januar dieses Jahres gegründete New Yorker Unternehmen Indrema zeigt auf der LinuxWorld eine elegant gestaltete Spielkonsole mit einer für Videografik optimierten Linux-Distribution. Das mit einem 600-Megahertz-Prozessor ausgestattete Gerät ist für Open-Source-Spiele, MP3 und Web-Surfen geeignet, später sollen auch DVD-Filme hinzukommen. Neuer Kernel kommt voraussichtlich im Herbst Zu den zahlreichen Software-Neuerungen gehört die zweite Ausgabe von Corel Linux , das zum Download im Internet angeboten wird. Außerdem demonstriert das kanadische Unternehmen auch die Linux-Version seiner Grafikbearbeitungssoftware Corel Draw. Das Nürnberger Unternehmen SuSE zeigt neben der neuen Linux-Distribution 7.0 eine Anpassung des Systems für aktuelle AMD-Prozessoren - damit setzt SuSE die Strategie fort, sich mit der Unterstützung der verschiedensten Prozessor-Plattformen von der Konkurrenz abzuheben. Ein wichtiges Gesprächsthema ist der neue Linux-Kernel 2.4, der voraussichtlich im Herbst kommen wird. Der Kernel ist der innerste Kern des Betriebssystems, der allen Spielarten und Distributionen gemeinsam ist. Zu den Neuerungen des Kernels 2.4 gehört vor allem die umfassende Unterstützung der USB-Schnittstelle für eine beschleunigte Datenübertragung zwischen PC und Zusatzgeräten. Verbessert wird auch die automatische Erkennung von Geräten nach dem Grundsatz «Plug and Play». Im kommerziellen Einsatz wird die Leistungsfähigkeit nach oben getrieben: So sollen sich mit dem neuen Kernel 4,2 Milliarden Nutzer gleichzeitig mit einem Linux-System verbinden können - das entspricht schon fast der Gesamtbevölkerung der Erde. Ebenfalls wichtig für High-End-Server ist, dass dann auch ein erweiterter Arbeitsspeicher von mehr als vier Gigabyte verwaltet werden kann. 165 Firmen Im San Jose Convention Center reicht der Platz für die Aussteller kaum aus: 165 Firmen wurden zugelassen, darunter nahezu 100, die zum ersten Mal dabei sind. 45 weitere Interessenten fanden nur noch Platz auf einer Warteliste. Weil auch der Besucherstrom weiter anschwillt - nach 12.000 im vergangenen Jahr werden dieses Mal mehr als 20.000 erwartet, soll die von der Mediengruppe IDG ausgerichtete LinuxWorld im nächsten Jahr nach San Francisco umziehen. (red/AP)