Seit Stephanie Theuringer sie züchtet, gibt es auch bei uns wirklich frische Artischocken zu kaufen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Herzen wollen sorgfältig herausgeputzt sein - äußere Blätter abziehen, dann Kopf abtrennen und den Strunk zuputzen.
Fotos: Gerhard Wasserbauer

Foto: Gerhard Wasserbauer
In Italien gedeihen jährlich 470.000 Tonnen Artischocken, Spanien produziert gut 250.000 Tonnen, in Österreich sind es gerade einmal 5000 - Kilo wohlgemerkt, nicht Tonnen. Bis vor wenigen Jahren wurden sie bei uns gar nicht angebaut. Was insofern kein Wunder ist, als die köstliche Knospe einer aus Nordafrika stammenden Distelart hier hauptsächlich als Pizzabelag aus der Dose bekannt ist, die zwar lustig zwischen den Zähnen quietscht, aber nur nach Konserve schmeckt. Ein wenig schade ist das schon, schließlich gelten die Herzen frischer Artischocken nicht zufällig als Inbegriff luxuriösen Gemüses, durchaus vergleichbar mit dem Nimbus von Spargel vor zwanzig Jahren. Ihr Geschmack ist zart und ziemlich einzigartig, vor allem, wenn sie ganz frisch sind. In Frankreich isst man sie roh, dünn geschnitten, mit Zitrone und Olivenöl angemacht - dann kitzeln sie Gaumen und Zunge mit eigentümlichem Prickeln; in Spanien werden sie, was Wunder, in Mehl gewendet und in Olivenöl knusprig frittiert, Italiener grillen oder schmoren die Herzen mit Gemüsezwiebeln, um sie lauwarm, mit Parmesanspänen und Petersil, als Antipasto zu servieren. Mit zunehmendem Abstand zum Erntezeitpunkt erinnert der Geschmack an Topinambur oder Sonnenblumenwurzeln - auch nicht schlecht, bei den Preisen, die hier dafür verlangt werden dürfen, aber nicht wirklich befriedigend. Deshalb war es selbst für Großabnehmer lange nicht einfach, in Österreich an wirklich frische Ware zu gelangen - Endverbraucher wie unsereins konnten sich nur auf den Zufall verlassen.

Das ist auch einer der Gründe, warum die Bäuerin Stephanie Theuringer aus Raasdorf die extrem frostempfindliche Pflanze seit einigen Jahren anbaut - immer noch als Einzige im Lande: "Ich mag diesen eigentümlichen, subtilen Geschmack sehr", sagt sie. In der Edelgastronomie fand sie auf Anhieb treue Kunden, längst liefert Theuringer ihre Marchfeld-Artischocken an Johanna Maier und Liesl Wagner-Bacher ebenso wie in Dietrich Mateschitz' Salzburger Fliegerkantine Ikarus oder zu Joachim Gradwohl ins Restaurant des Graben-Meinl. Am Wiener Brunnenmarkt kann man sie auch kaufen: ab sofort und bis in den späten September hinein, am Samstagvormittag, vor dem Verkaufslokal der Staud-Konserven am Yppenplatz.

Die Zubereitung großer Artischocken ist denkbar einfach: Die Knospen kommen in mit Zitrone gesäuertes, kochendes Salzwasser, bis sich die inneren Blätter ohne großen Widerstand auszupfen lassen. Serviert werden sie mit Dijon-Vinaigrette, Aioli oder Sauce Hollandaise zum Tunken - der untere Teil des Blatts ist weich und wird mit den Zähnen abgezogen. Der substanzielle Genuss wartet am Schluss, in Form des Bodens, davor werden die Samen, Heu genannt, abgeschabt.

Kleine Exemplare wollen vorab bis aufs Herz geschält werden, dafür können sie dann ganz gegessen werden, weil sich die Samen noch nicht entwickelt haben - auf den Bildern rechts oben wird gezeigt, wie es geht: Je nach Größe drei bis fünf Reihen der äußeren Blätter abziehen, dann den oberen Teil mit einem Schnitt entfernen und den Strunk mit einem scharfen Gemüsemesser zuputzen. Ganz wichtig: Die Schnittflächen verfärben sich schnell, deshalb sollten sie sofort mit einer halben Zitrone behandelt werden. Die geputzten Herzen selbst müssen bis zur weiteren Verwendung in mit Zitrone oder Essig gesäuertem, kaltem Wasser aufbewahrt werden. Viel Arbeit, noch mehr Biomüll - aber es lohnt sich! (corti/Der Standard/rondo/20/07/2007)