Rom - Anfang Juli war es der Müll in Neapel - diesmal die Verwendung der Steuermehreinnahmen: Die italienischer Regierung stellt am Donnerstag zum 20. Mal innerhalb eines Jahres die Vertrauensfrage.

Die Mitte-links-Regierung von Romano Prodi will so ein Dekret in der Abgeordnetenkammer durchbringen, über das die Verwendung von insgesamt 7,5 Milliarden Euro geregelt werden soll. Profitieren sollen demnach die Wirtschaft und die schwächsten Einkommensschichten.

Von der Opposition kam heftige Kritik daran, dass wieder einmal mit Hilfe einer Vertrauensabstimmung ein Maßnahmenpaket durchgeboxt werden soll. Mit der Abstimmung, die für Donnerstag 17 Uhr geplant ist, will die Regierung die zahlreichen Abänderungsanträge umgehen, die die Opposition und die linksradikalen Parteien der Koalition eingereicht haben. Prodi hofft, bis kommenden Mittwoch das Dekret auch im Senat durchzubringen.

Müll-Notstand in Neapel

Seit Beginn von Prodis Amtszeit hat sich das Mitte-links-Kabinett bereits 20 Mal einer Vertrauensabstimmung unterzogen. Erst Anfang Juli hatte das Kabinett in der Abgeordnetenkammer die Vertrauensfrage über ein Dekret zur Bewältigung der Müll-Notstandslage im Raum von Neapel gestellt.

Das Dekret sieht fünf prioritäre Bereiche vor, für die Steuermehreinnahmen verwendet werden sollen: Erhöhung der Mindestpensionen, Maßnahmen zur Unterstützung junger Menschen ohne geregelten Arbeitsvertrag, Infrastruktur, Innovation und Forschung sowie Familienpolitik. Pensionisten über 64 Jahre, die ein monatliches Einkommen von unter 654 Euro haben, werden 33 Euro mehr pro Monat erhalten. Von der Maßnahme werden 3,4 Millionen Rentner profitieren. Dieser Beschluss wird dem Staat heuer 900 Millionen Euro und 2008 1,5 Millionen Euro kosten. Das Dekret verlängert die italienische Beteiligung an der Friedensmission in Bosnien. 100 Millionen Euro erhält das Innenministerium für die Bedürfnisse der Sicherheitskräfte.

Das Dekret enthält auch Finanzierungen im Wert von 80 Millionen Euro zur Bewältigung der Müllkrise in der Region Kampanien. Hinzu stellt die Regierung dem globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids und TBC 260 Millionen Euro zur Verfügung.

"Vor der eigenen Mehrheit in Schutz nehmen"

"Die Regierung Prodi stellt die Vertrauensfrage, weil sie sich von der Zersplitterung ihrer eigenen Mehrheit in Schutz nehmen muss", kritisierte der Parlamentarier der oppositionellen Forza Italia, Giuseppe Marinello. Die häufigen Vertrauensabstimmungen würden die demokratische Debatte im Parlament ausschalten und der Opposition stark schaden, kritisierte Marinello.

Krise um Pensionsreform

Unterdessen bemüht Prodi sich, eine Regierungskrise über die umstrittene Pensionsreform abzuwenden: Europaministerin Emma Bonino hatte mit ihrem Rücktritt gedroht, sollte die Regierung bei den Pensionsverhandlungen dem Druck von Gewerkschaften und linksradikalen Parteien der Koalition nachgeben und den Rentenantrittsalter senken, was die Staatskassen stark belasten würde.

Noch bis Ende dieser Woche will Prodi den Gewerkschaften seinen Vorschlag vorlegen. Demnach sollen die Italiener ab 1. Jänner 2008 mit 58 Jahren und 35 Beitragsjahren in Pension gehen, anstatt der 60 Jahre des Pensionsgesetzes der Vorgängerregierung Berlusconi. Ab 2010 soll man dann mit 58 Jahren und 37 Beitragsjahren in Rente gehen können. Vorgesehen ist ferner das freiwillige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nach 40 Arbeitsjahren, sowie keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters bei Schwerarbeit. Ausnahmeregelungen sind für bestimmte Schwerstarbeiten vorgesehen.

"Zahlenspiele"

Als "Zahlenspiele" bezeichneten vier Minister von Kommunisten und Grünen die Berechnungen des Wirtschaftsministers Tommaso Padoa Schioppa, die auf Mehrkosten von bis zu 65 Mrd. Euro in zehn Jahren kommen, sollte es bei der Rente mit 57 bleiben, wie es die linksradikalen Parteien der Prodi-Koalition fordern. Die Opposition kritisierte Prodi vehement. Mit seiner Wirtschaftspolitik versuche Prodi vergebens, eine immer wackeligere Regierungskoalition zusammen zu halten. Prodis Regierungszeit sei an einem entscheidenden Wendepunkt angekommen.

Die Pensionen lasten schwer auf den öffentlichen Kassen Italiens. Erstmals seit zehn Jahren sind die öffentlichen Ausgaben dafür wieder gewachsen, die im vergangenen Jahr 50,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) verschlungen haben. 2005 waren es noch 48,6 Prozent gewesen. Im vergangenen Jahr sind die öffentlichen Ausgaben um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. (APA/red)