Er wurde zum "Sonnenkönig" gemacht, zum "Zaren" ernannt und zum "gefallenen Glücksritter" degradiert. Egal, was Hannes Kartnig in den vergangenen Jahren erreicht oder verloren hat, die Öffentlichkeit durfte stets hautnah dabei sein. Der Ex-Sturm-Präsident war immer ein genialer Selbstdarsteller, in guten wie in schlechten Zeiten. Sogar seine Verhaftung wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung und Veruntreuung in Millionenhöhe hat zum inszenierten "Lebemann" aus Graz gepasst. Aber noch mehr seine Entlassung aus der Untersuchungshaft, die seine Anwälte mit einer Grundrechtsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof durchgesetzt haben.

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die Justiz davor in die Medienfalle getappt ist und Kartnigs "Regentschaft" mit einem möglichst spektakulären Abgang beenden wollte. Das bedeutet nicht, dass Staatsanwaltschaft und Gericht nicht den schweren Vorwürfen nachgehen müssen. Aber beim Wie ist wohl gründlich, wenn auch medienwirksam übers Ziel hinausgeschossen worden. Freiheitsentzug ist die schärfste Maßnahme des heimischen Rechtssystems.

Von einer unabhängigen Justiz ist zu erwarten, dass sie losgelöst vom öffentlichen Druck agiert. Aus einem Staatsanwalt oder U-Richter wird kein Starstaatsanwalt oder Star-U-Richter, wenn bei prominenten Beschuldigten strengere Maßstäbe angelegt werden als bei No-Name-Verdächtigen. Im OGH-Entscheid heißt es, dass es im Fall Kartnig "nur undeutliche Sachverhaltsannahmen zur Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts" gegeben habe. Und dass "die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausreichend begründet" gewesen sei. Und einmal ehrlich: Wohin hätte Kartnig denn flüchten sollen? Irgendwohin, wo ihn keiner kennt? Doch nicht der "Sonnenkönig". (Michael Simoner, DER STANDARD - Printausgabe, 20. Juli 2007)