Auch am Wochenende riss die Serie von Beschuldigungen, Gerüchten und Gegeninformationen im Fall des "Terrorarztes" Mohamed Haneef nicht ab. Eine Zeitung meldete am Sonntag, die Polizei prüfe Unterlagen, nach denen der gebürtige Inder islamischen Glaubens Pläne für die Zerstörung eines "hohen Gebäudes" in seinem Wohnort an der ostaustralischen Gold Coast "gehabt haben könnte". Wie in anderen Fällen in den vergangenen Wochen blieb die Quelle der Information unklar. Haneefs Anwalt warf der australischen Bundespolizei vor, die Beschuldigung zu verbreiten, um von den eigenen Verfehlungen abzulenken.

Haneef (27) war am 2. Juli im Zuge der Ermittlungen nach dem Terroranschlag in Glasgow in Australien festgenommen worden. Er wollte in Brisbane ein Flugzeug nach Indien besteigen, um seine Frau zu besuchen, die ein Kind geboren hatte. Dank jüngst eingeführter drakonischer Antiterrorgesetze konnte ihn die Polizei tagelang festhalten. Schließlich kam die Meldung, in einem Mobiltelefon im Fahrzeug der Terroristen von Glasgow habe man seine SIM-Karte gefunden. Als Haneef endlich vor eine Untersuchungsrichterin kam, setzte sie ihn gegen Kaution frei. Die Beweise gegen den Arzt seien schwach; außerdem sei die Karte nicht direkt für einen Terroranschlag verwendet worden, so die Magistratin. "Charaktergründe"

Doch statt in relativer Freiheit auf seinen Prozess wegen - gemäß Antiterrorgesetz - "unbesonnener Unterstützung des Terrorismus" warten zu können, wurde Haneef erneut verhaftet. Eine Stunde nach dem Urteil hatte ihm Einwanderungsminister Kevin Andrews das Visum entzogen - aus "Charaktergründen", wie er meinte. Außerdem gäbe es weitere Hinweise darauf, dass der Arzt in terroristische Aktivitäten verwickelt sei. Doch diese Informationen seien im Rahmen der Antiterror-Gesetzgebung geheim.

Die Veröffentlichung des Polizeiprotokolls in einer Zeitung letzte Woche ließ aber Zweifel an dieser Version aufkommen. Einer von Haneefs Anwälten hatte die Aufzeichnungen publik gemacht, "um die Missinformationskampagne der Regierung gegen meinen Klienten zu kontern", so der Jurist. Im Verhör erklärte der Doktor, er habe seine britische SIM-Karte vor seiner Abreise aus Großbritannien einem Cousin überlassen, mit dem er studiert hatte. Er habe das Restguthaben nicht verlieren wollen. Dass der Verwandte später zum Terroristen werden sollte, habe er nicht wissen können. Er selber verabscheue jede Form von Gewalt. Quellenangabe

Trotz der Offenlegung der Fakten machte der australische Generalstaatsanwalt Philip Ruddock weiter negative Bemerkungen über Haneef; und in den Medien fehlte es nicht an belastende Informationen über den Arzt - jeweils ohne Quellenangabe. Freitag wendete sich das Blatt erneut zu Ungunsten der Regierung. Medien meldeten, die SIM-Karte sei in Liverpool gefunden worden, nicht im Jeep der Terroristen in Glasgow. Laut einer Zeitung habe die australische Polizei "schon länger von diesem Fehler gewusst, ihn aber nicht korrigiert".

Selbst konservative Kommentatoren sprechen inzwischen von einem "Skandal". Sie fürchten um die Glaubwürdigkeit der Antiterrorgesetze, die die konservative Regierung von Premier John Howard durchsetzte. Bekannte Rechtsexperten warnen, es sei "unakzeptabel", dass der Immigrationsminister dem juristischen Ablauf durch die Ausweisung des Beschuldigten zuvorkomme. (Urs Wälterlin aus Canberra/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2007)