Foto: Rottenberg

Es war vergangene Woche. Da hat sich M. wieder gemeldet. Jener M., der mir ein paar Tage zuvor das Sturmwarnungsbild aus dem Volksgarten geschickt hatte (siehe Stadtgeschichte vom 12. Juli - "Todesfalle Volksgarten"). M. schickte auch diesmal ein Bild. Eines, das er nur wenige Meter weiter aufgenommen hatte. Am Rathausplatz nämlich.

Ob M. den Rathausplatz besucht oder nur überquert hat, ging aus dem Begleitschreiben nicht hervor. Aber ich vermute, dass M. dort unterwegs war, um sich den angeblich einfachsten Sommeranbratplatz der Stadt genauer anzusehen. Zu einer Zeit, zu der noch kein Massenauflauf herrscht. Tagsüber also.

Denn wenn Männchen und Weiblein dort Abends unter dem Vorwand es Musikfilmsehens unterwegs sind, um einander zu suchen (und dabei nicht einmal überreißen, wenn ihnen am selben Stand für idente Bestellungen vom selben Servicemenschen bei drei Gelegenheiten an einem Abend dreimal deutlich divergierende Preise verrechnet werden – aber das ist wohl eine ganz andere Geschichte), lässt sich der Fokus nur schwer auf jene Ziele richten, die M. sucht: die kleinen, seltsamen Absurditäten der Beschilderungen des Alltags nämlich.

M. erklärt

„wenn man mit offenen augen durch wien/österreich geht“, schreibt M., „dann merkt man, dass wir eigentlich in absurdistan leben (ein weiteres beispiel dafür anbei - "traditionellste" ist schon einmal ein groteskes wort, aber wenn sie dann die karte lesen, werden sie merken, warum ich die speisekarte am rathausplatz fotografiert habe (mit rahmgurkensalate ist auch hübsch)“

„jaja, ich weiß, ich werde die welt nicht ändern, aber im kleinen kann man es versuchen - meine tochter kennt z.b. den unterschied zwischen "möchtest du" und "magst du", aber 99,9 Prozent der eltern nicht ... "magst noch zu die elefanten gehen?", war ein besonders hübscher satz letztens in schönbrunn ...“

Ankündigungspolitik

Und zu diesen Zeilen – denen er auch noch die Ankündigung beistellte, zum Jahresende eine Liste von besonders „gelungenen“ Titeln von Print- und Online-Standard ins Web zu hieven – pastete M. dann eben auch nebenstehendes Bild. Weil ihn, erläuterte er, nicht nur der Superlativ von Tradition und der interessante Plural der Beilage fasziniere, sondern – und das vor allem – ein Gericht: der „Wellnessgriller“.

M. sagte es zwar nicht expressis verbis, aber ich mutmaße, dass es ihm in solchen Fällen ähnlich geht wie mir: Derlei macht neugierig – und Angst. Erst recht, wenn die eigene Phantasie von den kleinen Prisen (Fach?-)Wissen zum Thema beim fröhlichen Losgaloppieren sofort zurückgepfiffen wird: Grillen und Wellness (im Generation-Fitnesscenter-Sinn) sind zwar feine Dinge – aber die Überschneidungsbereiche dürften eher gering sein. Oder unverkäuflich – vor allem an Orten wie dem Rathausplatz.

Standardrepertoire?

Das ist natürlich nur eine Mutmaßung. Vielleicht ist es ja auch ganz anders. Und der „Wellnessgriller“ gehört längst zum Standardrepertoire der leichten, bewussten und gesunden Küche Österreichs. Aber M. und ich sind eben ahnungslos. Und feig. Darum haben wir eine Bitte: Irgendjemand muss sich opfern. Und den „Wellnessgriller“ testen. Schließlich steht er auf der Liste der traditionellsten Schmankerln Österreichs. (Thomas Rottenberg/ derStandard.at, 23. Juli 2007)