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Allein unter Bestien: Homer Simpson, Verkörperung des ewigen Kleinbürgers und Verlierers, gerät auch in der Kinoversion von "Die Simpsons" in die Bredouille.

Foto: AP/20th Century Fox

Und auch auf der Leinwand ist die 2-D-Animation auch dort avancierter als viele technisch hoch aufgerüstete Großproduktionen.

Wien – "I was elected to lead, not to read", sagt der US-Präsident. In Die Simpsons – Der Film heißt er Arnold Schwarzenegger, und weil er nicht lesen will, nimmt er von fünf möglichen Rettungskonzepten ung’schaut das mittlere: Springfield, der Heimatstadt von unser aller liebster TV-Familie, droht totale nukleare Verseuchung, also wird kurzerhand eine riesige Glaskuppel über den Ort gestülpt.

Man mag an Peter Weirs The Truman Show denken, wenn man diese Szene sieht. War es dort noch Jim Carrey, der anfangs keine Ahnung davon hatte, dass er in künstlicher Abschottung ein permanent verfilmtes und ausgestrahltes Leben führte, so tritt auch hier subtilste Erkenntnistheorie auf den Plan: Homer Simpson, der Mann, der wieder einmal Grenzkatastrophales verursacht hat, sieht im Panzerglas, das ihn von der rettenden Außenwelt trennt, sein Spiegelbild, wähnt sich in einem denkwürdig schizophrenen Anfall tatsächlich draußen, läuft aber auf sein Haus zu, und sieht sich mit Blick nach hinten schemenhaft zwischen Bäumen verschwinden.

Beschränkte unter sich

Über das, was wir erkennen und vor allem, was wir sagen können, kommt unser Denken nicht hinaus. Insofern sind von jeher alle Protagonisten von Die Simpsons auf geniale Weise beschränkt, schon vom Zeichenstil her Abziehbilder einer Gesellschaft, die von sich selbst erhöhte Komplexität behauptet, aber vielleicht nur Text reproduziert, der längst vorgefertigt wurde.

Der Kinofilm, etwa so lang wie vier Simpsons -Folgen hintereinander, macht dies noch einmal besonders augenfällig. Wieder agieren und sprechen Homer, Marge, Bart, Lisa, Maggie und Co bevorzugt in Film- und Pop-Zitaten, diesmal tun sie es aber quasi in direkter Konkurrenz zu anderen Großevents. Harry Potter wird gehörig in die Mangel genommen, ein "Spider Pig" tanzt an der Zimmerdecke. Die Band Green Day geht aufgrund von verseuchtem Wasser Titanic-mäßig baden. Und wenn Lisa Simpson wie Al Gore statistische Auswirkungen des Klimawandels erklären will, funktioniert die Hebebühne, mit der man Höhen und Tiefen einer Umweltverschmutzungsgrafik besonders spektakulär veranschaulichen kann, naturgemäß nicht.

Mit vergleichbaren Gags kann auch die TV-Serie aufwarten. Und mitunter stellt sich die (auch von der Leinwand herab einmal aufgeworfene) Frage, was denn Die Simpsons – Der Film tatsächlich vom Serienalltag abhebt. Die Handlung – Homer droht, nachdem er wortwörtlich Mist gebaut hat, seine Familie zu verlieren – ist ja auch nicht gerade neu. Und wenn man dazu die riesigen Werbekampagnen sieht, beschleicht einen nicht selten das Gefühl, hier werde exakt einer jener Marken-Schwindel betrieben, über die man sich im Simpsons -Universum so gerne lustig macht.

Nein, auf der rein inhaltlichen Ebene wird der Kinofilm den hoch gesteckten Erwartungen nicht gerecht. Er kommt aber auch nicht weniger amüsant daher als das, was schon im Fernsehen zum Besten gegeben wurde. Tatsächlich interessant ist er in formalen und stilistischen Belangen – in der Art und Weise, wie er quasi das TV-Format nicht hinter sich lässt, sondern breitflächig radikalisiert.

Dies gilt zum einen für die 2-D-Animation, die in Zeiten von Shrek und Co für die große Leinwand zwar detailreicher gestaltet ist, im Prinzip aber geradezu steinzeitlich anmutet. Wer würde es heute sonst noch wagen, derart inständig Hände mit vier Fingern (und noch dazu gelbe Hände!) zu zelebrieren? Nur die Kinoversion von South Park war da vergleichbar holzschnittartig.

Weltbild und Pointe

Der zweite und dramaturgisch wahrscheinlich auch noch ausbaufähige Punkt: Wie viele vergleichbare Serien geht auch Die Simpsons von der Kurzform des Comicstrips und Cartoons aus. Das heißt: Im Prinzip gestaltet sich jede einzelne TV-Episode als Abfolge von Kurz- und Kürzest-Gags, die jeder für sich genauso gut funktionieren könnten. Der Kinofilm ändert an diesem Prinzip rein gar nichts, was bei höherer Länge durchaus riskant ist, weil immer noch jede Pointe zünden muss.

Entsprechend lang ist deshalb auch die Liste der Drehbuchautoren/Gagwriter, die dem Simpsons -Erfinder Matt Groening und dem Regisseur David Silverman aber ausreichend Material lieferten, aus dem etwas entstehen kann, das folgendermaßen ganz gut umschrieben wäre: aphoristische Welterkundung.

Wenn zum Beispiel Bart Simpson beweist, dass er es nur zu gerne wagt, nackt mit dem Skateboard durch die Stadt zu fahren, dann hat das mit dem Rest der Handlung nur sehr bedingt zu tun und könnte auch einen sehr hübschen Kürzestfilm für YouTube abgeben. Trotzdem, die Art, wie im Zuge dieser Fahrt ein entscheidendes Detail sehr bigott nicht (und dann ganz kurz doch) gezeigt wird: Sie strahlt subversiv aus auf den Rest des Filmes. Aber so war das immer schon bei den Simpsons : Handlung? Sie ist austauschbar. Es sind Details und es ist die Form, in denen sich entscheidet, ob wir etwas "erkennen", lesen und dann auch darüber lachen können. (Claus Philipp/ DER STANDARD, Printausgabe, 24.07.2007)