St. Pölten – Das kleine äthiopische Mädchen, um das sich die Affäre dreht, lebt seit rund einem Jahr in einem niederösterreichischen Kinderheim. In Österreich hat es keine Eltern mehr: Die Adoption durch ein Ehepaar um die 60 Jahre wurde rückgängig gemacht – und auf den Tag, an dem es wieder zur Ursprungsfamilie nach Adis Abeba darf, muss es warten: "An der Frage der Rückführung arbeiten die Behörden", schildert Petra Fembek vom Verein für internationale Adoptionen, "Family for you".
Immer stärkere Aggressionsanfälle der etwa Neunjährigen gegen sich selbst und gegen den Buben, der mit ihr als ihr Bruder nach Österreich gekommen war, hatten Ende 2005 das Lügengebäude vom Waisenkind aus dem fernen Ostafrika zusammenbrechen lassen. Die Adoptionseltern wussten sich nicht mehr zu helfen: Sie überantworteten ihre "Wahltochter" dem Heim. Dort begann sie zu reden: von ihrer Mutter in Äthiopien Ihr "Bruder" – so erzählte sie – sei gar nicht mit ihr verwandt. Vielmehr habe man ihr vor dem Abflug eine "Reise nach Amerika" versprochen.
"Die Dokumentenfälschung ist eindeutig in Äthiopien passiert", verteidigt sich Fembek im STANDARD-Gespräch: "Wir haben die Lehren daraus gezogen und führen keine Adoptionen aus Staaten mehr durch, die schlüssigen Einblick in die Herkunftspapiere der Kinder verwehren." Neben Äthiopien habe "Family for you" daher auch Russland und Nepal von der Liste gestrichen. Im Grunde seien nur Adoptionen aus Haager Vertragsstaaten (siehe Wissen) wirklich sicher, aus Südafrika etwa oder ab August auch aus Kambodscha.
Für die Zukunft fordert Fembek "mehr Verantwortungsübernahme durch die öffentliche Hand" ein: Die behördlichen Abwicklungen in den Herkunftsländern der Kinder müssten von einer staatlichen Stelle und auf Grundlage bundesweit geltender Regeln – derzeit sind Adoptionen Landessache – geführt werden: "Vereine wie wir sind da vielfach überfordert". Im Justizministerium bestätigt Robert Fucik, dass "ausgehend von dem äthiopischen Fall" an einer umfassenden Regelung gearbeitet werde.
Nicht von Überforderung, sondern von wissentlichem Fehlverhalten bei "Family for you" geht hingegen Eric Agstner, Rechtsvertreter der gescheiterten Adoptiveltern und Vertrauensanwalt der äthiopischen Botschaft in Wien, aus. "Wie soll man das anders nennen als Betrug?" Im Namen der gescheiterten Adoptiveltern und zweier weiterer Paare hat er zivilrechtlich Klage eingebracht.