Wien – "Die ökonomische Situation in der Türkei ist sehr gut, wie schon seit einigen Jahren. Der Wahlausgang bringt nun auch noch einen stabilisierenden Effekt in die Wirtschaft," meint Michael Landesmann, Direktor des Wiener Institutes für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), im Gespräch mit dem Standard zum Wahlausgang.

Vor allem die Industrie habe sich gut entwickelt, und zwar nicht nur in lohnsensitiven Bereichen, sondern auch im mittleren technischen Sektor, also etwa Autozulieferer und Elektrotechnik.

Die Achillesferse der türkischen Wirtschaft ist das weiterhin hohe Handelsbilanzdefizit sowie die hohe Inflation samt den damit verbundenen hohen Zinsen. Die Regierung wollte mit Jahresende 2006 eine Teuerungsrate von vier bis fünf Prozent erreichen. Mit den aktuellen neun Prozent ist sie davon noch weit entfernt.

Unter den hohen Zinsen hat der private Konsum gelitten: Der Absatz langlebiger Konsumgüter wie Autos oder Wohnungseinrichtungen ging spürbar zurück, während die Exportwirtschaft sehr gut verdiente.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung der Türkei wird nach Meinung Landesmanns den Druck auf die EU verstärken, die Wirtschaftsbeziehungen rasch auszubauen und damit auch die Beitrittsverhandlungen voranzutreiben.

Gintaras Shlizkyus, für die Türkei zuständiger Analyst der Raiffeisen Zentralbank, meint, dass die neue türkische Regierung weiterem Wirtschaftswachstum erste Priorität einräumen werde. In den nächsten Jahren soll das Bruttoinlandsprodukt nach seinen Schätzungen real um jährlich fünf bis sechs Prozent zulegen.

An den türkischen Finanzmärkten wurde der Wahlausgang ebenfalls durchaus positiv bewertet. Türkische Aktien sprangen deshalb auf ein Allzeithoch, auch die Landeswährung Lira und Staatsanleihen legten kräftig zu.

Der Leitindex der Istanbuler Börse ISE N-100 gewann am Montag zwischenzeitlich vier Prozent auf 55.059 Punkte, gab dann aber wegen Gewinnmitnahmen wieder etwas nach. Den Anstieg der türkische Lira zu Euro und Dollar werteten Experten als Zeichen der Stabilität. (Michael Moravec/DER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2007)