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"Fragen beantworten, statt auf den Busch zu klopfen"

F.: Reuters/Keane
Chris aus Portland in Oregon, geschmückt mit Baseballkappe und Tattoo, kam gleich zur Sache: "Ich frage mich, ob Sie in dieser revolutionären Debatte etwas Revolutionäres tun können. Nämlich Fragen wirklich zu beantworten, statt auf den Busch zu klopfen." Chris saß nicht im Saal, er meldete sich aus dem virtuellen Raum. Er hatte sich selbst gefilmt und das Video via YouTube ins Internet gestellt.

Bei CNN fanden sie das Filmchen so originell, dass sie Chris unter den 3000 Einsendern an die Spitze stellten. Nun war er der erste, der in Charleston, South Carolina, wo in der Nacht auf Dienstag die Präsidentschaftsbewerber der US-Demokraten debattierten, über die riesige Leinwand flimmerte.

Von einem historischen Moment ist die Rede, von echter Basisdemokratie. Nie zuvor konnten sich Wähler so direkt an Kandidaten wenden, schon gar nicht vor einem Millionenpublikum, das in den Wohnzimmern zusah. Die spektakuläre YouTube-Debatte, sie sollte den Jungen Appetit machen, die Profis der alten Medien an die Seitenlinie bugsieren, widerspiegeln, was Normalverbraucher wirklich beschäftigt.

Ist es gelungen? "Es war ein erster Schritt", sagt Peter Leyden, Direktor des New Politics Institutes, einer Denkschmiede, die Politiker ermutigt, sich offensiver des Internets zu bedienen. Die neue Generation, die quasi online aufwachse, "die kann man auf diese Art viel besser einbeziehen", sagt Leyden. "Eine gute Sache."

Kritik an Videoauswahl

Doch genauso schnell waren die Skeptiker zur Stelle. Die einen monierten, dass CNN die Beiträge herauspickte, mithin filterte, den Diskurs zensierte. Andere konnten partout nicht erkennen, was denn nun anders sei, wenn Internet-Benutzer an Stelle von Journalisten die Fragen stellen. "Werden Sie die Führer Irans, Syriens, Kubas, Venezuelas und Nordkoreas treffen?", wollte ein Steven wissen. So ähnlich ist es ständig im Äther zu hören. Ein Dauerthema, das den USA unter den Nägeln brennt.

Interessant allerdings, wie Barack Obama und Hillary Clinton die Nuancen setzten. "Klar werde ich sie treffen", antwortete Obama. "Zu denken, dass man sie bestraft, indem man nicht mit ihnen redet, das ist doch lächerlich." Clinton, deutlich vorsichtiger, möchte zunächst das Wasser testen, sondieren, vorfühlen. Erst nach einem Jahr im Amt könne sie sich vorstellen, mit Irans Ahmadi-Nejad oder dem Syrer Assad an einem Tisch zu sitzen.

Ein markantes Beispiel dafür, was anders sein kann, wenn Bürger direkt vorfühlen, lieferte eine krebskranke Frau: 36 Jahre alt, jahrelang nicht krankenversichert, wie es aktuell bei 45 Millionen Amerikanern der Fall ist. "Was wollen Sie tun, damit jeder billig oder kostenlos Medikamente bekommt?" Sagt's und nimmt die Perücke vom Kopf, auf dem nach der Chemotherapie die Haare fehlen. So emotional, war man sich nachher einig, hätte es kein Profi-Interviewer vermitteln können.

Oder die Frage nach grünem Licht für gleichgeschlechtliche Ehen. Mary und Jen, zwei Frauen aus Brooklyn, stellten sie so: "Würden Sie uns erlauben, zu heiraten? Untereinander?" Oder das wichtigste Thema, der Irakkrieg: Es klingt dringlicher, wenn der Vater eines getöteten Soldaten im Ton der Verzweiflung sagt, den einen Sohn habe er schon verloren, den zweiten wolle er nicht auch noch verlieren. "Also, bis wann werden unsere Truppen abziehen?" (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2007)