Sozar Subari ist eine gute Adresse, wenn man verstehen will, wie es heute um Georgien steht, der einzigen früheren Sowjetrepublik, in der eine der "farbigen Revolutionen" zwischen 2003 und 2005 halbwegs geklappt hat. Der Ombudsmann Subari hat sein Büro im Schlafzimmer des früheren Stalin-Schergen Lawrentij Beria aufgeschlagen. Bei so viel Rache an der blutigen Geschichte der Sowjetunion muss niemandem bange um Georgiens junge Demokratie sein. Sollte man meinen.

In der Machabeli-Straße 11 in Tiflis hatte Beria in den 30er-Jahren seine Residenz. Der Chef der Staatspolizei im damaligen Transkaukasien und KP-Chef Georgiens ließ Zehntausende von politisch Missliebigen "säubern". Die Villa in einer Seitenstraße der georgischen Hauptstadt verfiel nach dem Ende der Sowjetunion. Georgische Flüchtlinge aus Abchasien, der Separatistenprovinz an der Schwarzmeerküste (und Berias Geburtsort) besorgten den Rest und verbrannten in einem Winter alles Holz der Inneneinrichtung. Dann kam Sozar Subari, der Ombudsman der neuen Republik.

Zwei Jahre ist das nun her, bald vier Jahre ist die "Rosen-Revolution" alt, die junge Bürgerrechtler an die Macht gebracht hat und junge Politiker wie den heutigen Staatspräsidenten Michail Saakaschwili. Dass sie ihn heute nicht einmal bei offiziellen Auftritten anhören, ist Subaris größtes Leid. Als er Ende Mai seinen jüngsten Bericht über Menschenrechtsverletzungen und Rechtsverstöße der Behörden verlas, stand er vor einem fast leeren Parlament.

Erst Anfang dieses Monats bequemten sich die Abgeordneten der regierenden Nationalen Bewegung über den Bericht des Ombudsmans abstimmen zu lassen. Keine schwere Übung, wenn man eine Dreiviertel-Mehrheit hat. "Die Resolution, die besagt, das Parlament hat den Bericht zur Kenntnis genommen", ist durchaus angemessen", sagte Giga Bokeria ironisch, einer der einflussreichsten Parlamentarier der Regierungspartei und wie Subari früher einmal ein Bürgerrechtler des "Liberty Institute" in Tiflis, einer der Frontposten der Rosen-Revolution. Der Ombudsmann aber wollte eigentlich, dass das Parlament den Verstößen nachgeht.

Georgien im Jahr vier der Revolution ist faktisch ein Ein-Parteien-Staat. Die Nationale Bewegung dominiert das Parlament, den Stadtrat von Tiflis, alle Verwaltungsbezirke des Landes. Saakaschwili hat sie im November 2003 durch die Revolution gelotst. Der Staatschef regiert heute mit einem kleinen Küchenkabinett aus Innen- und Justizminister; die Partei ist Sammelbecken und Seilschaft in einem für den hyperaktiven Präsidenten. "Die Partei hat die Unterstützung des Volkes", sagt Subari und verweist zugleich auf Mehrheitswahlrecht und hohe Sperrklausel, die 80-Prozent-Siege der Rosen-Revolutionäre, wie zuletzt bei den Kommunalwahlen, ermöglichen.

In der Ukraine hat der Machtkampf zwischen Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko die "orange Revolution" umgebracht. In Kirgistan ist der vorschnell "Tulpen-Revolution" getaufte Austausch der Machtcliquen zur Farce geworden. In Georgien aber ist der Fall weit komplizierter. Die Wirtschaft wächst zweistellig, die Armee trägt US-Uniformen. Der Staatschef lässt die Häuser in Tiflis streichen und die kleinen Händler aus ihren Läden in den Unterführungen werfen, weil sie nicht schicklich sind für eine Hauptstadt.

Die großen Korruptionsfälle an den Grenzübergängen aber, die Übergriffe der "Abteilung für Spezialoperationen" im Innenministerium unter deren Chef Irakli Kodua bleiben ungesühnt. Die Medien, die einst die Rosen-Revolution befeuerten, allen voran der private Fernsehsender Rustavi 2, üben sich heute in Selbstzensur, so behaupten nicht angepasste Bürgerrechtsgruppen wie etwa HRIDC. Mit dramatischen getitelten Berichten wie "Nächster Halt Weißrussland?" werben sie um Aufmerksamkeit.

Der Ombudsmann versucht, die Mitte zu halten. "Man wird heute auf den Polizeiwachen meistens nicht mehr geschlagen", sagt Subari, "das ist schon ein Fortschritt." (DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2007)